Business Dienstag, 14.11.2023

Nachhaltigkeit beim FCN: "Wir befinden uns in der 70. Spielminute"

Warum befasst sich der 1. FC Nürnberg mit Nachhaltigkeit? Wie passen Nachhaltigkeit und Fußball in einem Profiverein zusammen? Und wie packt der Club Nachhaltigkeit ganz konkret anhand bestimmter Themen an?

Ein Gespräch als Einleitung in das Thema Nachhaltigkeit mit dem Kaufmännischen Vorstand Niels Rossow und Katharina Fritsch, Leiterin Community & Membership, in deren Abteilung die Stabstelle Nachhaltigkeit ganz bewusst angesiedelt ist. Das komplette Interview gibt’s im neuen Nachhaltigkeitsbericht, der in der kommenden Woche erscheint und hier zu finden sein wird.

fcn.de: Wieso ist das Thema Nachhaltigkeit für den FCN wichtig?

Niels Rossow: Das Thema hat gesamtgesellschaftlich Relevanz, deshalb ist es für den 1. FC Nürnberg von Bedeutung. Wir tragen Verantwortung über den Sport hinaus und wollen unsere verbindende Kraft nutzen, um das wichtigste gesellschaftliche Netzwerk unserer Region zu schmieden – mit dem Ziel, das Leben von Menschen besser zu machen. So steht es in unserem Leitbild.

Katharina Fritsch: Nachhaltigkeit heißt Zukunft gestalten. Die Generationen Z und Alpha erwarten Antworten auf Klimawandel, Kriege und andere Bedrohungen unserer Demokratie. Wir verstehen uns als Verein, der für Werte steht. Da diese grundsätzlich in Gefahr sind, sehen wir es als Aufgabe unseres gesellschaftlichen Engagements, unsere Demokratie zu verteidigen. Die Krisen der Gegenwart zu bewältigen, ist eine Aufgabe für alle. Nicht nur für „die da oben“.

fcn.de: Die Erreichung von nachhaltigen Kriterien ist seit der Saison 2022/23 Teil des Lizenzierungsprozesses für den Spielbetrieb der Deutschen Fußball Liga (DFL). In welcher Spielminute befindet sich der Club?

Niels Rossow: Die Prozesse hin zu nachhaltigem Handeln haben sich durch die verpflichtende Nachhaltigkeitsstrategie professionalisiert. Ein großer Dank geht an die DFL, die uns auf diesem Weg mutig, ambitioniert und geduldig begleitet. Wir haben durch die Bewertung der Prüfgesellschaft Schwachstellen, aber auch viel Positives aufgezeigt bekommen. Würde ich unsere erreichte Prozentzahl in die Dauer eines Fußballspiels übersetzen, befänden wir uns in der 70. Spielminute. Wir sind also auf einem sehr guten Weg. Im Feld der ökonomischen Nachhaltigkeit konnten wir bereits Meilensteine erreichen, aber vor allem bei der sozialen Nachhaltigkeit haben wir in den vergangenen Jahren mit unserem Engagement eine große Wirkung erzielt. Im Bereich ‚Ökologie‘ hingegen müssen wir aufholen.

fcn.de: Wie sollen Mitglieder und Fans auf diese Reise mitgenommen werden?

Katharina Fritsch: Klimaneutral, mit Ökostrom natürlich! Beispielsweise durch unsere Community-Plattform UnserClub.de. Mit ihr haben wir vor drei Jahren die digitale Voraussetzung für FCN-Fans geschaffen, um gesellschaftliches Engagement in der Club-Familie zu verbreiten. Menschen, die Bolzplätze säubern, Einkäufe für Bedürftige erledigen oder Blut spenden wollen, können sich registrieren. Mehr als 10.000 Cluberer gehören unserer nachhaltigen Community schon an. Möglichst viele von ihnen wollen wir fürs Anpacken und Mitmachen gewinnen.

Niels Rossow: Dort können sich Fans auch für die „Rot-schwarze Mitfahrzentrale“ anmelden und durch Fahrgemeinschaften CO2 sparen. Es ist toll, dass der Club ein sehr großes Einzugsgebiet hat. Eine Befragung unserer Fans für die Verkehrs- und Mobilitätsanalyse für unsere Nachhaltigkeitsstrategie ergab, dass sie für die Hinfahrt zum Heimspiel ins Max-Morlock-Stadion im Durchschnitt 75 Kilometer zurücklegen. Das entspricht sieben Mal der Strecke, die ein Spieler pro Partie läuft. Luftlinie ist das ungefähr so weit wie von unserem Stadion zu unserem Fanclub Weinfranken Dettelbach.

fcn.de: Die Nachwuchsförderung ist eines der elf Fokusthemen in der Nachhaltigkeitsstrategie. Wie kann sie gezielt vorangebracht werden?

Niels Rossow: Sowohl unser Leitbild als auch der sportliche Erfolg sind Basis unserer Nachhaltigkeitsstrategie. Nachhaltigkeit ist kein Widerspruch zu sportlichem oder wirtschaftlichem Erfolg – ganz im Gegenteil. Von nachhaltigem Handeln kann der FCN sportlich profitieren. Im Nachwuchsleistungszentrum wollen wir sehr gute Rahmenbedingungen schaffen, damit so viele Jugendspieler*innen aus der Region wie möglich den Sprung in die ersten Mannschaften schaffen.

Katharina Fritsch: Es geht auch um Themen wie die Weiterentwicklung von Jugendtrainer*innen, nachhaltige Scouting-Konzepte und den Einsatz technischer Innovation im sportlichen Bereich – für Jungen und Männer gleichermaßen wie für Mädchen und Frauen. Für die Mädchen und Frauen aber müssen Infrastruktur und Nachwuchsmannschaften erst einmal ausgebaut und Trainings- und Spielverhältnisse verbessert werden.

fcn.de: Welche Nachhaltigkeitsthemen sind die größte Herausforderung und werden den Club in den nächsten Jahren am meisten beschäftigen?

Katharina Fritsch: Die größte Herausforderung sehe ich in der Bedrohung unserer Demokratie. Da heißt es auch für Vereine, sich zu schützen. Der Ausschluss der jüdischen Mitglieder zwischen 1933 und 1945 war eine grausame Erfahrung für die Betroffenen. Es hat aber auch dem Club selbst geschadet und war ein absoluter Tiefpunkt. So etwas darf nie wieder passieren. Wir müssen als Verein zusammenstehen und dazu beitragen, unsere Demokratie zu sichern.

Niels Rossow: Bei der ökologischen Nachhaltigkeit haben wir Nachholbedarf. Mit der Befragung unserer Fans für die Verkehrs-und Mobilitätsanalyse sowie der Ermittlung des CO2-Fußabdrucks sind wir in diesem Jahr erste Schritte gegangen. Mit der Lufthansa Industry Solutions haben wir dabei einen starken Partner an der Seite. Gesucht sind innovative Lösungen, um den größten Treiber des CO2-Fußabdrucks im Fußball – die ‚Fanmobilität‘ – anzugehen. Das sehen wir nicht als Aufgabe der Fans, sondern als unseren Auftrag – gemeinsam mit Sponsoren zu einer Minimierung beizutragen.


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