1962: 1.FCN - Fortuna Düsseldorf 2:1 nV (0:0, 1:1)

29. August 1962, Niedersachsen-Stadion in Hannover

1.FCN: Wabra - Derbfuß, Hilpert - Flachenecker, Wenauer, Reisch - Dachlauer, Haseneder, Strehl, Wild, Albrecht

Düsseldorf: Görtz - Vigna, Zimmermann - K. Hoffmann, Krafft, Straschitz - Steffen, Wolfframm, Hoffer, Volberg, Meyer

Tore: 0:1 Wollframm (58.), 1:1 Haseneder (71.), 2:1 Wild (93.)

SR: Seekamp (Bremen)

Zuschauer: 41.000

Höhen und Tiefen hielt die Saison 1961/62 für den 1. FC Nürnberg bereit. Zunächst errang der Titelverteidiger erneut die Südmeisterschaft. Punktgleich mit der Frankfurter Eintracht, dank des besseren Torverhältnisses.

Auch in den Gruppenspielen um die Deutsche Meisterschaft erwies sich vor allem die Abwehr um Torhüter Roland Wabra und die Verteidiger Paul Derbfuß und Helmut Hilpert als kaum zu überwindendes Bollwerk. Gegen Tasmania Berlin (2:1), Borussia Neunkirchen (3:2) und Schalke 04 (3:1) kämpfte sich der Club abermals ins Finale um die Deutsche Meisterschaft, wo er jedoch gegen den 1. FC Köln mit 0:4 unterging.

Auch im Europapokal der Landesmeister wurden dem Club die Grenzen aufgezeigt. Nach vier Siegen gegen Drumcondra Dublin (5:0 und 4:1) und Fenerbahce Istanbul (2:1 und 1:0) war im Viertelfinale der portugiesische Meister Benfica Lissabon Endstation.

Der 3:1-Hinspielerfolg im Städtischen Stadion nach Toren von Gustl Flachenecker (2) und Strehl weckte große Hoffnungen, doch im Hexenkessel von Lissabon setzte es für die junge Club-Elf eine derbe 0:6-Abfuhr. "Ich habe nie zuvor und nie danach eine Mannschaft gesehen, die sich in einen solchen Spielrausch steigerte", erzählte Heinz Strehl später.

Mit der neunten Deutschen Meisterschaft also war es (noch) nichts geworden, ebensowenig mit dem ersten Triumph eines deutschen Vereins im Europapokal.

Doch der Club tanzte noch auf einer dritten Hochzeit, im DFB-Pokal, der damals unmittelbar nach der Meisterschaftssaison ausgetragen wurde. Mit Siegen gegen TuSpo Nürnberg (10:1), Kickers Würzburg (11:0), die SpVgg Weiden (3:0) und den SSV Ulm (3:1) qualifizierten sich die weiterhin von Herbert Widmayer trainierten "jungen Wilden" - Max Morlock hatte seine Fußballstiefel nach dem Meisterschaftsendspiel kurzzeitig an den Nagel gehängt - für die Runde der letzten 16 Mannschaften auf Bundesebene.

Dort gewannen sie zunächst mit 3:0 bei Saar 05 Saarbrücken. Tore von Strehl (2) und Reinhold Gettinger entschieden eine überharte Partie, in der Torhüter Wabra nach einem Revanchefoul an Altmeyer vom Platz gestellt wurde.

Ein Saarbrücker Protest wegen eines angeblichen Regelverstoßes vor Strehls zweitem Treffer wurde abgelehnt.

In der Zwischenrunde erteilte der Club im heimischen Stadion dem VfV Hildesheim eine wahre Lehrstunde. Gegen den Dritten der Oberliga Nord feierte er ein 11:0-Schützenfest.

Über eine halbe Stunde lang hielt Hildesheims Bester, Torhüter Gerstle, seinen Kasten sauber, dann brach der an diesem 8. August überragende Kurt Haseneder den Bann.

Der damals "Verbinder" genannte rechte Mittelfeldspieler traf ebenso dreimal wie sein Pendant auf der linken Seite, Tasso Wild; Flachenecker, Richard Albrecht (je zwei) und Strehl erzielten die übrigen Tore. Wabra-Ersatz Gerhard Strick im Tor brauchte kaum einmal einzugreifen.

"Ich kann mich nicht entsinnen, nach 1945 einen zweistelligen Triumph des Club über einen Oberliga-Partner miterlebt zu haben", schrieb Hans Fiederer, sechsmaliger Nationalspieler der SpVgg Fürth, im Sportmagazin.

Max Morlock, in diesen Pokalspielen des Jahres 1962 nur als Zuschauer dabei, empfand es als "Genuss, die Mannschaft so frisch spielen zu sehen", und der neue Kapitän Nandl Wenauer meinte: "Es ist schnell und direkt gespielt worden. Das hat heute Spaß gemacht."

In der Vorschlussrunde kreuzte die Frankfurter Eintracht in Nürnberg auf, die durch einen 5:0-Punktspielsieg gegen den FC Bayern wenige Tage zuvor in die Favoritenrolle geschlüpft war.

Auch ohne Morlock, Gettinger, Wenauer und Neuzugang Peter Engler, dafür wieder mit Wabra im Tor, fegte der junge Club den alten süddeutschen Rivalen aus dem Stadion.

Tasso Wild, zweimal Flachenecker sowie Haseneder erzielten die Tore zum nicht erwarteten 4:2-Sieg. Augenzeuge Sepp Herberger analysierte: "Die Partie wurde durch die Nürnberger Läuferreihe entschieden, in der mir Reisch diesmal gut gefiel, Flachenecker eine große Partie lieferte und Wild mit seinen Bombenschüssen selbstbewusst auftrumpfte."

Voller Bewunderung schrieb auch die Vereinszeitung: "Jetzt ziehen die Lausbuben schon wieder in ein Finale ein." Hannover, 29. August 1962.

Im Niedersachsenstadion, rund ein Jahr zuvor bereits Schauplatz des Meisterschaftsendspiels gegen Borussia Dortmund, bestreiten die "jungen Wilden" ihr drittes Endspiel binnen 14 Monaten. Fortuna Düsseldorf heißt der Gegner des Club in seinem vierten Pokalendspiel nach 1935, 1939 und 1940 - eine Neuauflage des Meisterschaftsfinales von 1936 also. Damals, in Berlin, gewann der Club mit 2:1 nach Verlängerung.

Und diesmal? Die Voraussetzungen stehen nicht gut, Morlock, Joe Zenger und Heiner Müller fehlen. Für den Club laufen ein: Wabra - Derbfuß, Hilpert - Flachenecker, Wenauer, Reisch - Dachlauer, Haseneder, Strehl, Wild, Albrecht.

Die Partie selbst beginnt alles andere als vielversprechend. Die vom späteren Bundestrainer Jupp Derwall betreuten Düsseldorfer geben den Ton an; sie spielen kraftvoll auf und kombinieren sicher, während die Nürnberger nervös und gehemmt wirken.

Vor allem der Halbrechte Wolfframm und Linksaußen Meyer machen der Club-Abwehr schwer zu schaffen, sodass die beiden Halbstürmer Haseneder und Wild zur Verstärkung der Deckung zurückgezogen werden.

Mehrmals liegt die Fortuna-Führung in der Luft, doch Wabra knüpft an seine hervorragenden Leistungen der Meisterschafts-Endrunde an und hält glänzend.

"Er schnellte wie ein Panther durch den Strafraum", schrieb das Sportmagazin in seinem Spielbericht. "An ihm richtete sich die Abwehr auf." Dem Club bieten sich in den ersten 45 Minuten nur drei Chancen. Zunächst trifft Strehl den Pfosten, dann, nach dem zweiten Eckball, scheitern Albrecht, Wild und Haseneder in aussichtsreicher Position, schließlich wird ein Strehl-Tor wegen Unterlaufens von Fortuna-Torhüter Görtz nicht anerkannt.

0:0 zur Pause. "Ein typisches Pokalspiel, insgesamt kein schöner Kampf", urteilt Herbert Widmayer.

Auch in der zweiten Halbzeit haben die Fortunen die erste Chance, als Meyer allein durchbricht; Wabra wirft sich ihm wagemutig vor die Füße und pariert.

In der 58. Minute aber ist auch der überragende Club-Torhüter machtlos: Meyer hängt Derbfuß ab, passt zum völlig freistehenden Wolfframm, der nur den Fuß hinhält - 0:1.

Die Vorentscheidung? Nein. Längst haben Haseneder und Wild ihre defensiven Rollen aufgegeben, längst stürmt der Club mit Mann und Maus. In der 71. Minute gelingt der Ausgleich: Flachenecker bedient den freistehenden Haseneder, der zieht sofort ab; Torhüter Görtz kann den Ball nur noch zum 1:1 ins eigene Netz klatschen.  

Trotz klarer Überlegenheit der konditionell stärkeren Nürnberger rettet sich Düsseldorf in die Verlängerung. Dort allerdings fällt schnell die Entscheidung. In der 93. Minute nutzt Tasso Wild einen kapitalen Fehler von Stopper Krafft, der das Leder vor dem eigenen Tor vertändelt, und drückt den Ball aus kurzer Entfernung zum 2:1 ins Netz.

Die Fortuna schafft es nicht mehr, sich gegen die Niederlage aufzubäumen, der Club holt den Pott zum dritten Mal nach Nürnberg.

"Unser Sieg war ein bisschen glücklich", meinte Widmayer, "die beiden Torhüter waren die besten Spieler auf dem Platz." Max Morlock, der natürlich mit nach Hannover gereist war, strahlte, als habe er selbst das Siegtor geschossen: "Ein verdienter Sieg. Nach dem 1:1 hatte die Fortuna nichts mehr zu bestellen."

Mit einem großen Bahnhof wurde die Club-Elf in Nürnberg empfangen, und nicht nur die Nürnberger Nachrichten empfanden  so etwas wie "Stolz auf diese junge Mannschaft".

Die Texte und Bilder stammen mit freundlicher Genehmigung aus dem Buch "Der Club - 100 Jahre Fußball", erschienen im Verlag W. Tümmel. Das Buch gibt es im 1.FCN-Fan-Shop.

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