1967/68: Die "Neunte" und das 7:3 über die Bayern

Saison 1967/1968: Platz 1, 47:21 Punkte, 71:37  Tore

Kader des 1.FCN: Wabra, Toth, Leupold, Popp, Hilpert  Müller L., Wenauer, Ferschl  Cebinac, Strehl, Brungs, Müller H., Volkert, Starek, Schöll

Nur Platz neun in der allerersten Bundesligasaison 1963/64, die Ränge sechs, sechs und zehn in den drei Jahren danach: Anders als der große Konkurrent der frühen sechziger Jahre, der 1. FC Köln, hatte der Club den Start ins neue Fußball-Zeitalter irgendwie verschlafen.

Wo sich die Kölner (und mit ihnen ein Großteil der 15 weiteren Gründungsmitglieder der neuen deutschen Eliteklasse) organisatorisch runderneuert, personell verstärkt und mit erhöhtem finanziellem Aufwand ins Abenteuer Bundesliga stürzten, da glaubte man in Nürnberg, mit längst überholter Vereinsstruktur auch in der neuen Klasse ganz vorne landen zu können.

Ein Trugschluss, wie sich schnell zeigte.

Auch vor der Saison 1967/68 erwartete niemand den 1. FCN an der Tabellenspitze, hatte der neue Trainer Max Merkel die Mannschaft im Jahr zuvor doch erst in letzter Sekunde aus dem Abstiegsstrudel gezogen.

Titelverteidiger Braunschweig und Frankfurt, Bayern München und die Löwen, Dortmund und Köln, ja selbst Hannover 96 wurden vor dem ersten Spieltag als Titelfavoriten gehandelt. Vom Club sprach nur einer: Bayern-Trainer Tschik Cajkovski, der meinte, meinem Freund Max ist alles zuzutrauen.

Merkel nahms geschmeichelt zur Kenntnis. Der Wiener schickte zunächst einmal elf Spieler in die Wüste, darunter Heiner Müller, Steff Reisch und Gustl Flachenecker aus der 61er Meisterelf.

Dafür lockte er sechs Neue an den Valznerweiher, so den Jugoslawen Zvezdan Tschebi Cebinac vom PSV Eindhoven und seinen Landsmann Gustl Starek von Rapid Wien.

Besonders im Angriff verspreche ich mir eine Wandlung, erklärte Merkel. Ich hoffe, dass wir ab sofort nicht nur Chancen herausspielen, sondern sie auch verwerten.

Während eines zweiwöchigen Trainingslagers in Tirol trimmten Merkel und sein Assistent Robert Körner die Mannschaft auf Erfolgskurs. Das war die härteste Vorbereitung, die ich je erlebt habe, erinnert sich Torjäger Franz Brungs. Dreimal am Tag haben wir trainiert, und ich dachte manchmal, das halte ich nicht durch.

Topfit starteten die Club-Spieler in die fünfte Bundesliga-Saison. Uns läuft in diesem Jahr keiner mehr weg, erklärte Merkel. Auch die Spielweise des Club veränderte der Österreicher radikal.

Franz Brungs: Unter ihm haben wir ein viel schnelleres Mittelfeldspiel als zuvor aufgezogen, und wir haben konsequent mit drei Spitzen gespielt der Cebi rechts, der Schorsch links, ich in der Mitte und der Heinz Strehl direkt dahinter.

Der Club begann mit zwei Strehl-Toren und einem 2:0 gegen den Karlsruher SC. Nach einem glücklichen 2:2 bei Borussia Neunkirchen (Ludwig Müller erzielte das Ausgleichstor in der Nachspielzeit) kletterte er am 2. September 1967 mit einem 4:0 gegen den HSV zum ersten Mal überhaupt an die Tabellenspitze der Bundesliga.

Eine englische Woche mit 6:0 Punkten folgte. Zunächst, in Frankfurt, machten Merkels Mannen dank eines überragenden Roland Wabra im Tor aus einem 0:1-Rückstand einen 2:1-Sieg, dann gewannen sie das Schlüsselspiel gegen Borussia Mönchengladbach durch ein Tor von Charly Ferschl mit 1:0, schließlich gelang ihnen ein klares 3:0 beim amtierenden Meister Eintracht Braunschweig.

Schon nach den ersten Spielen hatte Merkel seine Stammformation gefunden, die so aussah: Wabra  Leupold, Popp  Ludwig Müller, Wenauer, Ferschl  Cebinac, Strehl, Brungs, Heinz Müller, Volkert.

Eine gesunde Mischung aus Kämpfern und Technikern also, die weitestgehend von Verletzungen verschont blieb, so dass Merkel im Lauf der gesamten Saison nur noch vier (!) weitere Spieler einsetzte: Torhüter Toth, die Abwehrspieler Hilpert und Schöll und Spielmacher Starek, der zuallererst davon profitierte, daß in der Saison 1967/68 erstmals ein Spieler pro Mannschaft während der Partie ausgetauscht werden durfte.

Kein zweiter Verein in 37 Jahren Bundesliga kam mit so wenigen Spielern aus wie der Club 1967/68.

Nach elf Spieltagen wies der 1. FCN die sensationelle Bilanz von 19:3 Punkten ohne Niederlage auf und führte die Tabelle mit fünf Punkten Vorsprung vor dem FC Bayern an.

Auch die erste Niederlage, ein 0:2 am 13. Spieltag beim MSV Duisburg, warf die Club-Elf nicht um. Mit drei Punkten Vorsprung ging sie am 2. Dezember 1967, dem vorletzten Vorrundenspieltag, ins Spitzenspiel gegen die zweitplazierten Bayern.

Es wurde ein Tag, der in die Nürnberger Annalen einging, ein Tag, an dem der Club eines der größten Spiele seiner Geschichte lieferte. Das war das Meisterstück, schrieb der Kicker nach dem triumphalen 7:3-Sieg über den bayerischen Rivalen. Strehl, Volkert und fünfmal Brungs schossen vor 65.000 freudetrunkenen Zuschauern im Städtischen Stadion bis zur 74. Minute ein 7:1 heraus, ehe Brenninger zweimal verkürzte.

Bei Vorrundenschluss führte der Club mit 27:7 Punkten und sieben Zählern Vorsprung vor den punktgleichen Mönchengladbach, 1860, Duisburg und Bayern.

Da müsste schon ein Affe aus dem Nest fallen, antwortete der Kölner Trainer Willi Multhaup auf die Frage, ob dem Club der Titel noch zu nehmen sei. Doch in der Rückrunde wurde es noch einmal eng, ganz eng.

In den ersten fünf Spielen sprang nur ein einziger Sieg, ein 3:0 gegen Neunkirchen heraus, gegen Frankfurt setzte es beim 0:2 die erste von zwei Heimniederlagen in dieser Saison (neben einem 2:3 gegen Schalke 04). Das ist nicht mehr der flotte, begeisternde 1. FC Nürnberg, erklärten die Nürnberger Nachrichten.

Immerhin ertrotzte der Club ein 1:1 in Mönchengladbach, das Merkel später den wichtigsten Punktgewinn der Saison nannte. Trotz einer zweiten Durststrecke  mit vier Spielen ohne Sieg und 274 Minuten ohne Torerfolg, die erst mit einem 2:1 gegen den 1. FC Köln endete, machte der Club am vorletzten Spieltag sein Meisterstück.

Ausgerechnet in München, beim FC Bayern. Brungs und Strehl, die zusammen 43 der insgesamt 71 Tore des FCN erzielten, köpften die beiden Treffer zum 2:0-Sieg, der den großen Coup besiegelte.

So ein Tag, so wunderschön wie heute gröhlten die Spieler in der Kabine, der Sekt floss in Strömen. Mit einem Sonderzug fuhren Mannschaft und Präsidium um 20.40 Uhr von München nach Nürnberg, wo noch spät nachts Tausende am Bahnsteig warteten, um den neuen Meister zu feiern.

Auf einem extra ausgerollten roten Teppich schritten die Spieler, angeführt vom vorbildlichen Kapitän Heinz Strehl, in eine lange Nacht in der Nürnberger Altstadt.

Die Texte und Bilder stammen mit freundlicher Genehmigung aus dem Buch "Der Club - 100 Jahre Fußball", erschienen im Verlag W. Tümmel. Das Buch gibt es im 1.FCN-Fan-Shop.

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