1921: 1.FCN - BFC Vorwärts 90 Berlin 5:0 (3:0)

12. Juni 1921, DSC 99-Platz Düsseldorf

1.FCN: Stuhlfauth, Bark, Kugler, Grünerwald, Kalb, Riegel, Strobel, Popp, Böß, Träg, Sutor

Vorwärts Berlin: Weber, Probst, Fritzsche, Rotkehl, Hüttig, Puls, Kretschmann, Hoffmann, Paul, Wolter, Schumann

Tore: 1:0 Popp (13.), 2:0 Träg (14.), 3:0 Träg (35.), 4:0 Popp (76.), 5:0 Popp (87.)

SR: Bauwens (Köln)

Zuschauer: 27.000

In den Kreisspielen 1920/21 war der amtierende Meister 1. FCN ungeschlagen geblieben: Von 18 Spielen wurden bei einem Torverhältnis von 85:8 alle bis auf eines gewonnen  lediglich Fürth knöpfte dem Club einen Punkt ab (0:0).

Die Runde um die Süddeutsche Meisterschaft brachte wiederum lediglich einen Punktverlust (gegen Waldhof Mannheim 2:2), alle weiteren Spiele (die anderen Gruppengegner: Eintracht Frankfurt, Kickers Offenbach) wurden bei einem Torverhältnis von 20:4 gewonnen.

Nachdem er sich im süddeutschen Finale gegen Phönix Ludwigshafen durchgesetzt hatte (2:1 n.V.), hatte der Club als Titelverteidiger und regulär qualifizierter Verein quasi eine doppelte Teilnahmeberechtigung für die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft in der Tasche. Die Belohnung war ein Freilos in der 1. Runde.

Was er aber wohl kaum nötig gehabt hätte. Denn in der Zwischenrunde fertigte er Wacker Halle locker mit 5:1 ab. Der Fußball kommentierte: Schon nach wenigen Minuten war für jeden Eingeweihten klar ersichtlich, daß der Mitteldeutsche Meister bei allem Eifer auf die Dauer kein ernstlicher Gegner für den Club sein würde. Wacker hatte dem glänzenden Können seines Gegners nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen.

Im Finale auf dem Düsseldorfer DSC 99-Platz erwartet den Club der Berliner Meister BFC Vorwärts 90 als Gegner. In dessen Reihen stehen mit Fritzsche und Wolter zwar immerhin zwei aktuelle Nationalspieler, dennoch aber gelten die Berliner als krasser Außenseiter.

Nur mit sehr viel Glück waren sie ins Endspiel vorgedrungen: Gegen den Stettiner SC war ihnen erst in den Schlussminuten ein 2:1Sieg gelungen, das knappe 2:1 gegen den Duisburger SV, Bezwinger des hochfavorisierten Hamburger SV, hatten sie erst in der Verlängerung sicherstellen können.

Da im März 1921 die Rhein-Ruhr-Region durch die Alliierten besetzt worden war, kommt es zu der kuriosen Situation, daß das Spielfeld in Düsseldorf von einer riesigen Menge französischer Soldaten umlagert wird. Als plötzlich die Linienrichterfahnen fehlen und Schiedsrichter Bauwens auf die Tücher nicht verzichten will, beginnt das Spiel mit 30minütiger Verspätung.

Die Clubspieler vertreiben sich die Zeit vor ihrem Tor damit, den Franzosen die Bälle um die Ohren zu schießen. Aber die Soldaten sind den Nürnbergern freundlich gesonnen, quittieren die Aktion sogar, weil sie die Absicht nicht bemerken, mit lautem Beifall!

Anpfiff: Der Club legt sofort los: Schon nach dem ersten Angriff muss Fritzsche für seinen geschlagenen Keeper auf der Linie retten. Nach einer Viertelstunde ist es dann soweit: Popp knallt einen Abpraller ins Netz. Und sofort geht es weiter: Unmittelbar nach dem Anstoß jagt Sutor einem Berliner das Leder ab, passt auf Böß, der legt zu Träg durch  2:0.

Im Gefühl des sicheren Sieges zieht die Mannschaft in Weinrot nun ein Trainingsspielchen auf. Kalb füttert seine Stürmer mit schönen Vorlagen, und vorne unterhalten Träg, Popp und Co. ihre französischen Fans mit allerlei Kabinettstückchen.

Jedesmal, wenn die Clubspieler gefährlich nach vorne rücken, hallt der wohl seltsamste FCN-Schlachtruf aller Zeiten durchs Stadion: À Berlin, bavarières!

Über aller Schönspielerei vergessen die Clubstürmer dabei, zum Glück für die völlig überforderten Berliner, das Toreschießen. Erst zehn Minuten vor dem Halbzeitpfiff drischt Träg das Leder nach einer Ecke kompromisslos in die Maschen.

Nach dem Wiederanpfiff setzt sich das Spiel auf ein Tor fort. Vorwärts spielt nur noch im Rückwärtsgang, Bark und Kugler stehen an der Mittellinie und unterbinden mühelos jeden zarten Berliner Angriffsversuch. Aber obwohl es im Berliner Strafraum pausenlos lichterloh brennt, übersteht die Vorwärts-Verteidigung 30 Minuten torlos.

Dann aber erinnert sich Luitpold Popp an seine Qualitäten als Torschütze und schlägt noch zweimal zu. Der Club ist überlegener Sieger und erster Titelverteidiger in der Geschichte des deutschen Fußballs!

Das Endspiel, das übrigens erstmals gefilmt und anschließend in Theatern vorgeführt wurde, zeigte den Club auf dem Höhepunkt seines Könnens. Eine Berliner Zeitung schrieb: Zweitklassiger Gegner, nur in der ersten Minute bedrohlich aussehend; dann sich steigernder Untergang in der zermalmenden Mühle der roten Hemden. Nürnberg kontinentale Extraklasse.

Und der Fußball kommentierte lapidar: Nürnberg gewann, wie es wollte. Auch im Nachspiel blieb der Club souverän. Eine Mönchengladbacher Stadtauswahl hatte selbst gegen die verkaterte Clubmannschaft am Tage nach dem Endspiel keinen Treffer zustandegebracht sechs dagegen hatten die vom vielen Feiern angeschlagenen Nürnbeger, die wie Schlafwandler spielten, ihrem Gegner in den Kasten gesetzt.

Nach der erneuten Meisterschaft gestaltete sich der Empfang der Meistermannschaft in Nürnberg wie ein Triumphzug. Bereits im Bahnhof gab es ein derartiges Gedränge, daß die Mannschaft kaum aus dem Gebäude herausfand. Dennoch gelang es irgendwie, die Spieler mit Blumensträußen und -girlanden zu schmücken, die im Auftrag des Herausgebers des Fußball, Eugen Seybold, bereitgestellt worden waren.

Wie es dann weiterging, konnte man einige Tage später in Seybolds Fachzeitschrift nachlesen: Vor dem Bahnhof eine Menschenmenge, die jeden Rekord schlug. 40.000-50.000 Menschen waren es sicher.

Die Polizeiwehr hatte alle Hände voll zu tun und konnte nur mit größter Mühe die Menschenmenge zurückdrängen. Mit einem erderschütternden Gebrüll wurde die bekränzte Meisterelf empfangen und in einen Fremdenwagen verstaut.

Die Herren von der Spitze placierten ihre Leiber in eine Chaise, während die Reisebegleiter und die Frauen der Spieler in einen weiteren Fremdenwagen geschleudert wurden.

Die Kapelle der Polizeiwehr brach in einen brausenden Tusch aus. Die Menge schrie mit einer Begeisterung, wie es kein Fürst und kein Kaiser am Bahnhof in Nürnberg je erlebt haben. Alles war in einem Freudentaumel und in einem Begeisterungswirbel, wie man es noch nie gesehen.

Die Wagen konnten sich nur unter Beihilfe berittener Schutzleute einen Weg durch die Hauptstraßen der Stadt bahnen, und es ist direkt ein Wunder, daß kein Mensch überfahren und kein Wagen von der Menge umgeworfen wurde.

Die Texte und Bilder stammen mit freundlicher Genehmigung aus dem Buch "Der Club - 100 Jahre Fußball", erschienen im Verlag W. Tümmel. Das Buch gibt es im 1.FCN-Fan-Shop.

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