Fans Donnerstag, 18.06.2020

"Willkommen im Fußball"-Restart: "Der Fußball fängt viele Ängste auf"

Beim WiF-Cup konnten Mahmoud und seine Teamkollegen noch in die Zweikämpfe - nun heißt es Abstand halten und Hygienevorschriften beachten.

Seit Anfang Juni dürfen die Spieler des Programms "Willkommen im Fußball" wieder trainieren. Nur in Kleingruppen und unter strengen Vorschriften versteht sich. Doch der Fußball ist für die jungen Geflüchteten enorm wichtig.

„Während den strengen Beschränkungen habe ich mich gefühlt, als wäre ich auf einem anderen Planeten. Das war fast schon eine Depression auslösende Situation: Ich hatte kein Hobby mehr, konnte meine Mitspieler nicht sehen. Das war etwas sehr Schlimmes“, erzählt Mahmoud. Der 21-Jährige ist vor knapp fünf Jahren aus Syrien nach Deutschland gekommen und hat mittlerweile eine Fluchtanerkennung. Seit 2016 ist er Teil des Programms „Willkommen im Fußball“ (WiF), in welchem der 1. FC Nürnberg in Zusammenarbeit mit seinem Projektpartner SportService Nürnberg und den Partnervereinen SG Viktoria Nürnberg-Fürth 1883 e.V. sowie ASN Pfeil Phönix e.V. wöchentliche Trainingseinheiten für Flüchtlinge anbietet. Das letzte Mal spielten Mahmoud und seine Teamkollegen gemeinsam, als sie im März den „Willkommen im Fußball – Hallencup“ gewannen. Nach genau drei Monaten war die Freude über die Wiederaufnahme des Trainingsbetriebs groß. „Nach so langer Zeit wieder Fußball zu spielen, war eine geile Sache. Vor allem die Mitspieler wieder zu sehen und gemeinsam zu trainieren – wenn auch mit Abstand – hat richtig Spaß gemacht“, sagt Mahmoud.

„Allein an der hohen Trainingsbeteiligung hat man gemerkt, wie erleichtert alle waren, wieder Fußball spielen zu können“, erzählt Projektleiter Philipp Feihl. Während der Zwangspause absolvierten die Jungs einige Fitnessvideos und Übungen. „Das ist aber natürlich kein Vergleich. Jetzt können sie sich wieder gemeinsam auspowern und sich austauschen“, so Andrea Ackermann vom SportService Nürnberg.

Strenge Verhaltens- und Hygienebestimmungen

Das Training unterliegt selbstredend strengen Hygienebestimmungen und Regeln. Gemeinsam mit dem SportService erstellte der Partnerverein ASN Pfeil Phönix e.V. ein ausführliches Konzept unter Berücksichtigung der Anordnungen der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung: Training nur in Kleingruppen, die Abstandsregel sowie die Hygiene- und Desinfektionsmaßnahmen sind einzuhalten. Der Ablauf des Trainings muss im Vorfeld schriftlich festgehalten werden, nur kontaktlose Übungsformen sind erlaubt. Umkleidekabinen dürfen nicht genutzt werden, jede Gruppe hat einen eigenen Zugang zum Platz – und dies ist nur ein kleiner Auszug aus dem sehr detaillierten Vorschriftendokument. 

Eine große Orientierungshilfe waren die Bestimmungen des Bayerischen Fußball-Verbandes. Beim ASN Pfeil Phönix e.V. haben die Jugendkoordinatoren Toni Werner und David Elsweiler viel Herzblut in die Erstellung des Verhaltens- und Hygienekonzepts gesteckt. „Wir haben Glück, dass wir ein so großes Gelände haben und konnten die Grundregeln des BfV gut für unseren Verein anwenden. Wir sind froh, dass wir überhaupt wieder etwas machen können“, so Elsweiler. Kritik oder Zweifel an der Durchführung des Konzeptes gab es keine: „Die Spieler wissen, dass sie sich an die Regeln halten müssen, um Fußball spielen zu dürfen. Das Training ist natürlich nicht verpflichtend, aber alle sind gekommen. Die Freude ist riesig.“ Trotz des hohen Aufwands und der Komplexität der Umstände sieht der ASN Pfeil Phönix e.V. auch etwas Positives in der Situation: „Die gegenseitige Unterstützung ist enorm. Alle Trainingspläne müssen im Vorfeld abgesegnet werden, dabei helfen sich die Trainer. Es entsteht eine richtige Community, die Gruppe rückt näher zusammen“, erzählt der Jugendkoordinator.

Der Profifußball als Wegweiser

Der SportService Nürnberg sieht im Profifußball derweil einen wichtigen Vorreiter für die Wiederaufnahme des Trainingsbetriebs im Amateurbereich. Ackermann: „Wir konnten viele Anteile unseres Trainingskonzepts aus dem Profifußball übernehmen, das war sehr gut. Es war wichtig, dass es bei den Profis voran ging, dadurch wurde es für die Amateurvereine leichter.“ Vor dem ersten Training wurden die Spieler zunächst durch persönliche Gespräche über die Vorgehensweise informiert und anschließend durch eine Mannschaftssitzung in Kleingruppen. Verständnisprobleme gab es keine, die Jungs helfen sich bei schwierigen Themen mit gegenseitigen Übersetzungen. „Ich beherrsche viele Sprachen und wir können untereinander übersetzen. Wir vertrauen uns alle gegenseitig sehr, da ist es auch kein Problem, die Hygienevorschriften zu unterschreiben“, so Mahmoud.

Er erlebt die Corona-Pandemie zudem aus einem anderen persönlichen Blickwinkel. Seit September 2019 absolviert er eine Ausbildung als Krankenpfleger und weiß daher um die Wichtigkeit der Maßnahmen: „Wir haben alle die Regelungen respektiert und genau eingehalten. Dadurch schützen wir uns gegenseitig und ein gemeinsames Training wird überhaupt erst möglich.“

Ängste und Sorgen nehmen

Während der Zwangspause fehlte vor allem eines: Die Ablenkung. Durch Fußball auf andere Gedanken kommen und sich mit den Teamkollegen auszutauschen fiel weg. Hier war vor allem viel Einzelbetreuung von Nöten. „Wir haben uns separat mit den Jungs getroffen, sind spazieren gegangen und haben uns ausgetauscht. Viele wollten sich nun eigentlich für Praktika oder Ausbildungsstellen bewerben, das ist aktuell natürlich schwierig. Auch die Situation bezüglich des Corona-Virus war für Einige beängstigend“, sagt Ackermann. „Fußball kann all das ein Stück weit auffangen.“

„Willkommen im Fußball“ ist ein Programm der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, initiiert und gefördert von der DFL Stiftung und der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration.


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