Profis Donnerstag, 01.10.2015

RB Leipzig: Zwischen den Szenarien

Foto: Picture Alliance

Am Sonntag reist der 1. FC Nürnberg nach Leipzig. Der Top-Aufstiegsfavorit rangiert derzeit aber nur auf dem siebten Tabellenplatz. fcn.de hat den kommenden Gegner unter die Lupe genommen.

Sind sie nun ein Aufstiegsfavorit oder eher doch nicht? Ja und nein. Die gesamte Liga zählte RB Leipzig schon vor der Spielzeit zu den Topfavoriten im Rennen um den Aufstieg. Geht es aber nach den Leipzigern, so würden diese die Favoritenrolle gerne umgehend ablegen wollen. Zwar verlor die Mannschaft von Ralf Rangnick bislang nur selten, es gelang ihr aber auch noch nicht immer, enge Spiele für sich zu entscheiden. Ein Blick auf die vergangenen drei Partien verrät - statistisch betrachtet, waren die Messestädter über weite Strecken das bessere Team, drei Punkte aus drei Spielen sind aber vergleichsweise eher ein magerer Ertrag. 

Ziel und Konzept wurden zu Saisonbeginn klar definiert. Das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt aktuell aber noch nicht unbedingt, und das scheint Gründe zu haben. Noch eine Saison im oberen Mittelmaß soll es nicht werden, deshalb verpflichtete der Klub kurzerhand neun Neuzugänge. Allerdings verließen auch insgesamt 17 Spieler den Verein. Stabilisierende Neuverpflichtungen wie etwa Willi Orban oder Atinc Nukan sind aktuell nicht in der Form, die Mannschaft wesentlich zu verstärken. Auch Yussuf Poulsen kann noch nicht an die Vorsaison anknüpfen. Von seinen elf Saisontreffern hatte er zum jetzigen Zeitpunkt der Vorsaison schon sechs erzielt. Aktuell ist er noch torlos, pendelt zwischen Kurzeinsätzen, Auswechslungen oder gar keinem Einsatz im RB-Kader. 

Klasse, derzeit aber nur im Mittelmaß

Der Konkurrenzdruck im Leipziger Kader ist durch die zahlreichen Neuverpflichtungen natürlich gewachsen. Um für noch mehr Qualität in der Sturmspitze zu sorgen, wurde Poulsen, dem besten Leipziger Torschützen der Vorsaison, kurzerhand der U21-Nationalstürmer Davie Selke als Sturmpartner beiseite gestellt. Generell ist auch bei weiteren Transfers die Handschrift Rangnicks zu erkennen, der einst die TSG Hoffenheim mit jungen, talentierten Spielern bis in die Beletage des deutschen Profifußballs führte. Was in Sinsheim funktionierte, soll nun in Leipzig adaptiert werden - regelmäßig stellt Trainer und Sportdirektor Rangnick daher das zugleich jüngste und "wertvollste" Team der 2. Bundesliga auf. Kaum verwunderlich, dass das Durchschnittsalter dieser Truppe dabei bei nur knapp 23 Jahren liegt. Die Frage, ob diese Mannschaft nun zu jung sei oder nicht, scheint aber eher zweitrangig. Das Problem wurde bereits an anderer Stelle ausgemacht.

Denn ein großes Manko der jungen Truppe ist die Chancenverwertung. Kurz umschrieben: Zu groß ist der Aufwand, zu klein der Ertrag - schließlich brauchen die RB-Profis im Durchschnitt knapp 14 Torschüsse für ein Tor. Allein Emil Forsberg, der bisherige Top-Torschütze der Sachsen, benötigte in neun Spielen stolze 25 Torschüsse für vier Tore. Das dominante Auftreten passt zwar zu Ralf Rangnicks forcierter Offensivfußball-Philosophie, ist aber vergleichsweise nur mittelmäßig in Sachen Endverwertung. Rangnick selbst sieht das Problem eher in den Ballbesitzzeiten seiner Spieler. Durchschnittlich wird der Ball in der 2. Bundesliga fünf Sekunden lang gehalten, die Leipziger benötigen im Schnitt sieben Sekunden bis zum Abspiel. Zu langsam, nicht flüssig kombiniert und zu wenig Balleroberungen, um es in Rangnicks Worten zu beschreiben.

Verschiedene Szenarien werden durchgeplant

Fakt ist, das Team muss sich erst noch finden. Das ist im Normalfall ein Prozess, der einige Zeit benötigt. Daher laufen die Planungen für die kommende Saison derzeit schon zweigleisig. Erst am Mittwoch wandelte Ralf Rangnick wieder zwischen seiner Doppelfunktion als Trainer und Sportdirektor der Sachsen. Nachmittags stand der 57-Jährige auf dem Trainingsplatz am Cottaweg, obwohl er wenige Stunden zuvor noch zum jährlichen Budgetmeeting in Salzburg war. Im Hangar-7 wurden die Kaderplanungen an die Szenarien eines möglichen Bundesligaaufstiegs oder eines Verbleibs in der 2. Bundesliga diskutiert. Natürlich wollte sich Rangnick nicht zu Details äußern, allerdings ließ er verlauten, dass es zur Winterpause keine zwingende Veränderung im Kader geben solle.  

Aktuell bestünde dazu auch gar kein Anlass. Die Defensive macht schon einen soliden Eindruck, lediglich acht Gegentreffer musste die Abwehr bisher hinnehmen. Obendrein beträgt der Abstand auf einen direkten Aufstiegsplatz lediglich vier Punkte und die Strukturen wurden nicht zuletzt mit dem Bau des Nachwuchsleistungszentrums an die 1. Bundesliga angepasst. Das war auch vor dem Ligastart die Marschroute, die der Trainer unmissverständlich ausdrückte: "Wir wollen in die Bundesliga, und wir wollen es so schnell wie möglich“. Es bleibt also abzuwarten, ob und wann die Effektivität zurückkehrt, oder ob das unbeliebtere der beiden Szenarien eintritt. Schließlich wäre ein weiteres Jahr in der 2. Bundesliga laut Rangnick kein Ärgernis, momentan jedenfalls.


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