Business Samstag, 23.12.2023

Osman Cankaya im Jahres-Abschluss-Interview: Träume, Vorbilder, Wünsche

Foto: Johannes Kestel

Für den Frauenfußball beim 1. FC Nürnberg wird das Jahr 2023 als bedeutsames in die Vereinshistorie eingehen. fcn.de sprach mit dem Sportlichen Leiter Osman Cankaya über eben jenes Jahr voller positiver Momente.

fcn.de: Das Jahr 2023 startete mit einem Heimsieg gegen die U20 des FC Bayern und endete mit einem Punktgewinn in der Bundesliga gegen den amtierenden Deutschen Meister. Was geht dir durch den Kopf, wenn du an dieses Jahr denkst?

Osman Cankaya: Sehr viele Emotionen. Von Kindheitsträumen der Spielerinnen, die in Erfüllung gegangen sind, bis zu einem schweren Start in die Bundesliga, dazwischen noch ein Kinofilm. Die positiven Eindrücke überwiegen und viele werden gerne an das Jahr zurückdenken.

fcn.de: Mit dem Punktgewinn gegen die Bayern hätte dieses Jahr kaum besser beendet werden können. Wie hast du dieses Highlight erlebt?

Osman Cankaya: Ich muss ehrlich gestehen: ich habe die letzten 15 Minuten nicht gesehen. Ich musste rausgehen und bin dann um das Stadion gelaufen. Ich bin bei Spielen gerne alleine und suche mir meist einen ruhigen Platz im Stadion. Es ist natürlich besonders, gegen den Deutschen Meister zu punkten. Umso schöner, wenn es dann auch noch ein Derby ist. Wir versuchen der Mannschaft immer wieder zu vermitteln, dass die Adaption in die Liga Zeit benötigt. Solche Spiele und Ergebnisse helfen natürlich, dass das ausgesprochene Vertrauen an Glaubwürdigkeit gewinnt.

fcn.de: Nach den ersten deutlichen Niederlagen hatten viele sicherlich Sorgen, ob die Clubfrauen überhaupt Zähler in der Frauen-Bundesliga sammeln werden. Wie hast du diese Negativ-Phase erlebt? Was hat dich optimistisch gestimmt?

Osman Cankaya: Du kannst nicht für jede Stimmungslage und Phase die perfekte Lösung haben. Für uns war es aber schon in der Pre-Analyse klar, dass wir über ein völlig neues Niveau sprechen. Wir benötigen Zeit, um von vier Mal Training am Abend pro Woche auf ein ganzheitliches Profitum umzustellen. Diese Zeit ist nicht vorbei, nur weil die Ergebnisse jetzt besser sind. Wir müssen immer noch ständig daran arbeiten. Immer mit einem gewissen Zeitdruck versuchen, Abläufe zu optimieren, die Mannschaft zu stärken, die Trainingseinheiten auf ein neues Level zu bringen. Es gibt Zuspruch von allen Seiten. Mit Dieter Hecking stehe ich im permanenten Austausch. Niels Rossow schreibt selbst in der Halbzeit bei Auswärtsspielen nochmal motivierende Worte. Aber auch vom Aufsichtsrat bis zu den Partnern stehen alle hinter dieser Reise. Die Unterstützung ist wirklich groß.

fcn.de: Derzeit beträgt der Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz einen Zähler, ein Hinrundenspiel steht gegen den MSV Duisburg noch aus. Wie ordnest du den aktuellen Stand mit Blick auf eure Saisonplanung ein?

Osman Cankaya: Wir versuchen das ganze etwas kleinteiliger zu betrachten um davon wegzukommen, was in zehn Spieltagen sein könnte. Deshalb ist es wichtig immer wieder zu erwähnen, dass wir derzeit rein rechnerisch ein Unentschieden von unserem Ziel entfernt sind. Das ist pure Motivation für die Rückrunde.

fcn.de: Was habt ihr dem Team zum Jahresabschluss mitgegeben?

Osman Cankaya: Sportlich hat Thomas die richtigen Worte sicherlich gefunden: „Wir sind gekommen um zu bleiben!“. Die Mannschaft hatte im Anschluss zum letzten Spiel noch eine interne Weihnachtsfeier. Da konnte ich leider nicht dabei sein, doch ich denke, da werden die Gespräche nicht allzu sehr tiefgreifend gewesen sein. Wir werden versuchen, uns an das Niveau aus dem Bayern-Spiel zu halten, damit haben wir jetzt eine neue Messlatte für unsere Leistung gesetzt.

fcn.de: Wie sehen die Planungen für das Winter-Transferfenster aus? Kannst du uns schon einen kleinen Einblick geben?

Osman Cankaya: Wir haben über die Saison einige Vakanzen feststellen können und haben hierfür ein Anforderungsprofil erstellt. Das Scouting kennt keine Transferfenster, es geht permanent. Wir haben eine klare Philosophie, die uns in den vergangenen Jahren getragen hat. Sollte es eine Spielerin geben, die das angesprochene Profil mitbringt, können wir uns was vorstellen. Sollte das nicht möglich sein, gehen wir unseren Weg weiter. Dem Verein und uns ist eine nachhaltige und lösungsorientierte Entwicklung wichtig, nur dann behält der Standort Nürnberg seinen Wiedererkennungswert.

fcn.de: Wird es für dich auch etwas Zeit geben um durchzuschnaufen? Wie verbringst du die kommenden Tage, bis es in der Winter-Vorbereitung weiter geht?

Osman Cankaya: Meine Kollegen im Scouting, Florian Zenger und Bernd Richter, haben gut vorgearbeitet, dementsprechend gibt es vielleicht einige Gespräche, die ich führen muss. So eine richtige Pause gibt es dann wohl nur an den Feiertagen. Das ist aber absolut in Ordnung. Es ist eine sehr positive Phase, die wir natürlich gerne für uns nutzen möchten.

fcn.de: Mit Blick in die Zukunft: Was wird wohl vom Jahr 2023 bei dir hängen bleiben?

Osman Cankaya: Ich glaube, diese Mannschaft und ihre Spielerinnen haben jungen Mädchen eine Möglichkeit gegeben, nicht mehr ausschließlich männlichen Vorbildern nachzueifern. Sie haben es geschafft Vorbilder zu sein. Vielleicht hat das Jahr 2023 dazu beigetragen, dass in der Zukunft junge Mädchen das als Beweggrund für ihre Fußballkarriere benennen. Ich glaube, dann hätten Paulick und Co. viel mehr erreicht als sie jetzt glauben.

fcn.de: Nach deinem Hauptwunsch für 2024 brauchen wir vermutlich nicht fragen. Was wünscht du dir denn neben dem Klassenerhalt im kommenden Jahr für den Frauenfußball beim 1. FC Nürnberg?

Osman Cankaya: Ich glaube der konkreteste Wunsch neben dem Klassenerhalt wäre dann der Zuschauerrekord in der Bundesliga. Nürnberg hat oft genug gezeigt, dass es ihnen egal ist, ob eine Frau oder ein Mann sich das Trikot überzieht, solange die Person unser Wappen trägt. Ich sehe ungern einen anderen Vereinsnamen als aktuellen Rekordhalter. Auch wenn es aktuell nur ein Wunsch ist, ist der Club bekannt dafür Geschichte zu schreiben, also wieso nicht wieder.


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