Business Freitag, 24.02.2023

Oleksandra Loboda im Interview: „Fußball für viele Ukrainer im Angesicht des Krieges wie ein frischer Wind“

Foto: fcn.de

Auf den Tag genau vor einem Jahr begann der menschenverachtende russische Angriffskrieg auf die Ukraine, unter dem Millionen von Menschen leiden müssen. Von Beginn an unterstützte der Club und half überall, wo es sinnvoll und möglich war. Im März kam die bekannte Sportmoderatorin Oleksandra Loboda nach Nürnberg. Dort begann sie, die sozialen Initiativen des 1. FC Nürnberg aktiv zu unterstützen und koordiniert mittlerweile die vielfältige Ukraine-Hilfe des Club. fcn.de hat mit Oleksandra über ihre Eindrücke und Erlebnisse in den letzten zwölf Monaten gesprochen…

fcn.de: Oleksandra, einige Club-Fans kennen dich inzwischen bereits. In der Ukraine bist du ein Star. Bitte stell dich für alle, die dich noch nicht kennen, kurz vor.

Oleksandra Loboda: Mein Name ist Oleksandra. Ich habe jahrelang bei dem bekannten ukrainischen Fernsehsender „1+1“ gearbeitet und eine Fußball-Sendung sowie die Sportnachrichten moderiert.

fcn.de: Wo warst du vor genau einem Jahr, als der russische Überfall begann und welche Gedanken schossen dir zuerst durch den Kopf?

Oleksandra Loboda: Am 18. Februar 2022 bin ich in den Urlaub geflogen. Wenige Tage später, am 24. Februar 2022, wachte ich auf, schaute auf mein Handy und konnte es nicht fassen: Krieg. Ich saß auf dem Bett und wusste nicht, was ich tun sollte. All meine Verwandten waren in der Ukraine. Ich konnte nichts tun und war fast 1.000 Kilometer von zu Hause entfernt. Im Vorfeld des Krieges war immer wieder in den ukrainischen Nachrichten zu hören gewesen, dass ein Krieg ausbrechen würde. So richtig daran geglaubt haben wir aber nie. Man geht zur Arbeit, in den Supermarkt, trifft sich mit Freunden, man hat ein wunderbares Leben und will nicht glauben, dass das alles über Nacht zusammenbrechen kann.

fcn.de: Inzwischen arbeitest du beim Club in der Abteilung Community & Membership und koordinierst die FCN-Ukraine-Hilfe. Wie kam es zum Kontakt mit dem FCN?

Oleksandra Loboda: Nachdem wir in Nürnberg angekommen waren, hatten meine Freunde und ich angefangen, Fußballtraining für ukrainische Kinder zu organisieren. Viele geflüchtete Kinder kamen zu uns. Sie brauchten Ablenkung und mussten neue Freunde finden. Nach kurzer Zeit wurde Katharina Fritsch, Leiterin der Abteilung Community & Membership des 1. FC Nürnberg, auf uns aufmerksam und schlug vor, gemeinsam die Ukraine und meine vom Krieg betroffenen Landsleute hier in Nürnberg zu unterstützen. Ich habe sofort zugestimmt. Schließlich ist es mein Ziel, meinem Land zu helfen. Für diese Möglichkeit bin ich dem Club sehr dankbar.

fcn.de: Wie unterstützt die Ukraine-Hilfe des Club deine Landsleute?

Oleksandra Loboda: Die FCN-Ukraine-Hilfe ist sehr vielfältig.  Wir bieten beispielsweise kostenloses Training für ukrainische Kinder am Valznerweiher und einmal im Monat ein Treffen in unserem ClubHaus in der Innenstadt mit unterschiedlichen Programmen für die Kleinen an. Im Oktober haben wir eine Malstunde mit geflüchteten Kindern aus der Ukraine gemacht. Beim Heimspiel gegen Hannover 96 im Oktober vergangenen Jahres trugen die Club-Profis die Motive der Kinder vor dem Spiel auf T-Shirts. Anschließend wurden diese versteigert. Mit den Erlösen wurden dann Notfallrucksäcke für Kinder in Charkiw organisiert.  Mit regelmäßigen Spendenaktionen unterstützen wir außerdem unsere Partner in der Ukraine – insbesondere Metalist Charkiw, seit April 2022 Partnerverein vom Club.

fcn.de: Hattest du zwischenzeitlich Gelegenheit, in die Ukraine zu gehen, um Freunde und deine Familie wiederzusehen?

Oleksandra Loboda: Ja, ich kann inzwischen in die Ukraine reisen. Letztes Jahr war ich mehrmals dort. Natürlich ist es beängstigend, weil man nie sicher weiß, ob russische Raketen in der Nähe einschlagen könnten. Aber die Ukraine ist meine Heimat, und das Heimatgefühl ist bei mir stärker als das der Angst. Glücklicherweise konnten meine Verwandten letztes Jahr auch mehrmals nach Nürnberg kommen. Hier in der Stadt in Sicherheit zu sein und ohne Angst leben zu können tat ihnen sehr gut.

fcn.de: Hast du Freunde oder Angehörige in der Ukraine, die im Krieg dienen?

Oleksandra Loboda: Ich habe viele Freunde, die im Krieg kämpfen. Es gibt enge Freunde, die auch an der direkten Kriegsfront tapfer meine Heimat verteidigen. Leider ist es nicht möglich ständig Kontakt zu ihnen zu haben. Aber ich weiß, dass bei ihnen alles in Ordnung ist. Meine Familie versucht, ihnen vor Ort bestmöglich zu helfen.

fcn.de: Hier in Nürnberg ist großer Teil deiner Arbeit, aus der Ukraine geflüchtete Menschen vor Ort zu unterstützen. Zusätzlich gibt es die Partnerschaft des Club mit FK Metalist 1925 Charkiw. Welche Rolle spielt der Fußball für dich und deine Landsleute, um die aktuelle Situation zu bewältigen?

Oleksandra Loboda: Der Fußball ist für viele Ukrainer im Angesicht des Krieges wie ein frischer Wind. Denn wir müssen ständig an den Krieg denken. Es dominiert die Nachrichten und man kann kaum davon entfliehen. Die Menschen, die in der Ukraine leben, hören ständig Alarmtöne, die sie über die Gefahr von Raketenangriffen informieren. Die Menschen leben im Stress. Aber sie genießen den Fußball. Fußball ist eines der wenigen Dinge, dass meine Landsleute und mich auf andere Gedanken bringen kann. Selbst wenn es nur für einen kurzen Moment ist. Man freut sich etwa, wenn die Nationalmannschaft spielt. Das ist wie ein Urlaub für uns. Viele Ukrainer in Nürnberg gehen hier auch zu den Spielen des Club.

fcn.de: Das morgige Heimspiel steht im Zeichen der Ukraine-Hilfe. Welche Aktionen sind rund um den Spieltag geplant?

Oleksandra Loboda: Wir planen eine große Spendenaktion zugunsten der vom Krieg betroffenen ukrainischen Kinder. Außerdem werden morgen 100 MINI CLUBERER, kleine Club-Fans und ukrainische Kids hinter der Nordkurve ab 10.30 Uhr ein Banner mit Friedenssymbolen und weiteren Friedensschildern bemalen. Vor Anpfiff werden die Kinder die gestalteten Schilder und die symbolträchtige neue Zaunfahne ins Achteck tragen und dann die Club-Profis aus den Blöcken 19a bis 22 anfeuern. Außerdem sind an diesem Tag 300 Kinder und ihre Eltern aus der ukrainischen Community, die hier seit einem Jahr leben, zu Gast. Ich hoffe, die ganze Welt wird es sehen!

fcn.de: Danke für deine bewegenden Eindrücke, Oleksandra!

Zusammen mit seinen Club-Fans, Community-Partner Sparkasse Nürnberg, Viva con Agua und UNICEF Deutschland möchte der 1. FC Nürnberg rund um das Heimspiel gegen den SV Sandhausen am Samstag, 25.02.23 (Anstoß: 13 Uhr), für Projekte der FCN-Ukraine-Hilfe Spenden sammeln. Club-Profis, MINI CLUBERER und nach Nürnberg geflüchtete ukrainische Kinder setzen am Spieltag ein starkes Zeichen für den Frieden. Hier gibt es die Gelegenheit, für die FCN-Ukraine-Hilfe zu spenden.


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