Business Freitag, 17.06.2022

Gegen das Vergessen: Die Geschichte der Stolpersteine

Foto: Geschichte Für Alle e.V.

Am Sonntag, 26. Juni 2022 wird dem ehemaligen jüdischen Club-Trainer Jenö Konrad (1930 bis 1932) eine große Ehre zuteil: Mit der Verlegung von zwei Stolpersteinen erhält seine Biografie vor dem Max-Morlock-Stadion ein würdiges Andenken. Ab 11 Uhr sind sind dazu alle Cluberer herzlich eingeladen. fcn.de beleuchtet in diesem Rahmen die Geschichte hinter dem einzigartigen Projekt „Stolpersteine“ des Künstlers Gunter Demnig.

Das Kunstprojekt soll an das Schicksal der Menschen erinnern, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden.

Der Weg zu den Stolpersteinen

Die Geschichte der Stolpersteine begann bereits am 6. Mai 1990. Zum 50. Jahrestag der Deportation von 1.000 Sinti und Roma aus Köln ins Messelager, das als „Generalprobe“ der Judendeportationen diente, zeichnete der Künstler Gunter Demnig mit einem Schriftspurgerät die Wege, auf denen die Sinti und Roma deportiert wurden, nach. Zwei Jahre später, am 16. Dezember 1992, ließ Demnig am 50. Jahrestag der von Heinrich Himmler angeordneten Massendeportation von Sinti und Roma („Auschwitz-Erlass“) vor dem Historischen Kölner Rathaus einen ersten mit einer Messingplatte versehenen und beschrifteten Stein in das Pflaster ein.

In den Folgejahren entwickelte Demnig das Projekt „Stolpersteine“ weiter und dehnte es auf alle verfolgten Gruppen im Nationalsozialismus aus. Da im Nationalsozialismus ca. 6 Millionen Menschen deportiert wurden, plante Demnig das Projekt „Stolpersteine“ zunächst als theoretisches Konzept. Auf Anregung eines Kölner Pfarrers hin, verlegte Demnig 1995 jedoch probeweise und ohne behördliche Genehmigung weitere Stolpersteine in Köln. Ab dem Jahr 1997 wurden in Deutschland weitere Stolpersteinverlegungen erstmals amtlich genehmigt. Das Kunstprojekt entwickelte sich daraufhin zu einem der bekanntesten der Welt.

Größtes dezentrales Mahnmal der Welt

Mit bereits ca. 75.000 verlegten Solpersteinen in 1.265 Kommunen und 29 Staaten Europas sind Demnigs Stolpersteine seit einigen Jahren das größte dezentrale Mahnmal der Welt. Der Berliner Künstler besitzt das alleinige Urheberrecht für die Stolpersteine und verlegt die Steine selbst. Sie werden vor einstigen Wohnungen der Opfer der NS-Diktatur in die Straßen- oder Gehwegpflaster eingelassen. Die quadratischen Messingtafeln mit abgerundeten Ecken und Kanten sind mit von Hand mittels Hammer und Schlagbuchstaben eingeschlagenen Lettern beschriftet und werden von einem angegossenen Betonwürfel mit einer Kantenlänge von 96 × 96 und einer Höhe von 100 Millimetern getragen.

Auch in der Stadt Nürnberg wurden bis dato bereits 129 Stolpersteine verlegt. Darunter befinden sich unter anderem Stolpersteine der Familie Löb, die am 16. Juli 2020 in der Pirckheimerstraße 32 verlegt wurden. Club-Historiker Bernd Siegler hat den Fall des 1909 geborenen Juden Fritz Löb rekonstruiert. 1921 war er dem Club beigetreten, um dort Fußball zu spielen. 1933 wurde Fritz Löb, neben allen weiteren Juden, die Vereinsmitglied beim 1. FC Nürnberg waren, in einem der dunkelsten Kapitel des Club, vom Verein ausgeschlossen. Nachdem er nach Frankreich in die Fremdenlegion gegangen war, wurde er 1942 nach dem Einmarsch von Hitlers Wehrmacht in Frankreich verhaftet, deportiert und 1943 wie auch sein Bruder im Vernichtungslager Majdanek ermordet. Vater Simon wurde in der sogenannten Reichskristallnacht ermordet. Nur Emilie Löb überlebte den Holocaust.

Die Stolpersteine erinnern an Schicksale im Nationalsozialismus wie jenes der Nürnberger Familie Löb. Sie geben ihnen Gesichter und einen würdigen Platz in der Geschichte.

Fall Jenö Konrads als Mahnmal für die „Vorboten grenzenlosen Rassenhasses“

Am Tag der Stolpersteinverlegung zu Ehren von Jenö Konrad werden in Nürnberg insgesamt zehn Stolpersteine an acht Stellen im Stadtgebiet verlegt. Dr. Pascal Metzger ist Organisator der Stolpersteinverlegungen in Nürnberg. Er freut sich über das Andenken für den ehemaligen Club-Trainer: „Jenő Konrád ist ein besonderer Fall. Er floh 1932 aus Nürnberg, nachdem die Hetze der Nationalsozialisten gegen ihn immer mehr zunahm. Er zählte zwar nicht zu den Opfern staatlicher Verfolgung im ‚Dritten Reich‘, aber die Demütigungen, denen er ausgesetzt war, waren die Vorboten des grenzenlosen Rassenhasses, der kurz darauf staatstragend wurde. Jahrelange Hasspropaganda bereitete den Völkermord vor. Sich das heute im Vorbeigehen an dem Stolperstein ins Gedächtnis zu rufen, halte ich für wertvoll.“

Stolpersteine werden für gewöhnlich in Gedenken an Opfer der NS-Zeit zwischen 1933 und 1945 verlegt. Dass zwei Stolpersteine für Jenö Konrad, der bereits 1932 vor dem NS-Regime flüchtete in Nürnberg eingelassen werden, ist aus diesem Grund eine große Ehre. Nur durch die große Initiative der Gewinner-Schule Sonderpädagogisches Förderzentrum „Jean-Paul-Platz“ des „Jenö Konrad-Cups 2021“ erklärte sich Künstler Gunter Demnig bereit, in diesem Fall eine Ausnahme zu machen.

Zur Stolpersteinverlegung für Jenö Konrad und einer kleinen Feier, die rund um die Veranstaltung geplant ist, sind alle Cluberer und Geschichtsinteressierte herzlich eingeladen. Für Essen und Getränke auf Spendenbasis wird ebenfalls gesorgt, Parkplätze stehen auf dem Parkplatz S5 zur Verfügung. Beginn der feierlichen Verlegung vor dem Max-Morlock-Stadion ist um 11 Uhr. Weitere Infos zum Ablauf und Programm im Rahmen der Stolpersteinverlegung findet ihr hier.


]]>