FC St. Pauli: Die Freibeuter der Liga
Sie sind der "etwas andere Verein" und sorgen nicht nur auf dem Platz für besondere Momente. Am Freitag gastiert der FC St. Pauli in Nürnberg. fcn.de blickt auf den Kiezklub.
Die See lockte stets raue Männer. Pflichtbewusste stellten sich in Dienst der Hanse, freiheitsliebende und nicht immer gesellschaftskonforme frönten der Piraterie. Die Fans des FC St. Pauli sehen sich und ihren Verein mit einer gewissen Chuzpe in der Tradition der Freibeuter mit Totenkopfflagge. Am Freitagabend kommt es nun zum zweiten saisonalen Säbelrasseln zwischen dem "etwas anderen" Fußballklub und dem 1. FC Nürnberg.
Gegründet 1910, kultiviert der Kiezklub sein Image als hartgesottener Kultklub gegen finanziell potentere Flaggschiffe der Liga. Die Verbindung zum FCSP wird schon früh geknüpft, im Millerntor-Stadion erwartet den Nachwuchs das Piraten-Nest, eine Kita, die größeren Kids kommen zu den "Wilden Rabauken". Aber auch erfahrene Seebären engagieren sich in besonderem Maße für ihren Herzensverein. Man sieht sich als Stadtteilklub, der auch politisch Stellung bezieht.
Unkonventioneller Charme
Die Vielfalt der über 23.500 Mitglieder ist dabei ähnlich bunt wie die Piratenkutten von einst. Es war der FCSP der als erster Lizenzverein Deutschlands rassistische Rufe im Stadion verbot und 2009 bindende Leitlinien verabschiedete. Am Heiligengeistfeld, nur wenige Ruderschläge von der Reeperbahn entfernt, inmitten des Vergnügungsviertels, soll jederfrau und jedermann sich akzeptiert und willkommen fühlen.
Sein unkonventioneller Charme bringt dem FCSP weitreichende Sympathien ein. Gerät der Kahn einmal in Seenot, wird gerne geholfen – und die listigen Braun-Weißen angeln sich etwa mit einem 2:1-Erfolg im Bundesligaspiel 2002 gegen Bayern München nebenbei den Titel des "Weltpokalsiegerbesiegers". Die Fans kitten auch so manches Leck: Als alle Münzen verbraucht waren und 2003 der Schiffsbruch samt Absinken in die Untiefen der vierten Liga drohte, starteten sie die "Retterkampagne" und sackten in nur drei Monaten mit nahezu zwei Millionen Euro einen prächtigen Goldschatz ein. Ihre Trinkfestigkeit untermauerten sie dabei mit der angelagerten Aktion "Saufen für St. Pauli" inklusive Soliaufschlag auf Bier in den Kiezkneipen.
Nachbesserungen im Winter
Kein Wunder, dass sich die Verbundenheit seit jeher auf die Spieler überträgt. Harald Stender war zwischen 1945 und 1960 einzig für die Braun-Weißen aktiv, Thomas Meggle wechselte ganze dreimal ans Millerntor, Holger Stanislawski fungierte schon als Spieler, Teamchef, Trainer, sportlicher Leiter und Vizepräsident in Hamburg. Vor seinem Engagement in der Noris heuerte Martin Driller für 152 Kaperfahrten in der Hansestadt an.
Nachdem der FCSP 2015/16 als Vierter in den Hafen eingelaufen war, ist diese Saison für den ehemaligen Piratenkönig von Liga zwei die See weitaus stürmischer. Mit nur elf Zählern gelang in der Hinrunde keine fette Beute. Trotzdem hielt man auf St. Pauli am erfahrenen 63-jährigen Steuermann mit Zettel und Brille Ewald Lienen fest. Andreas Rettig verstärkte die Crew mit dem Trio Johannes Flum, Lennart Thy und Mats Möller Daehli im Winter durchaus prominent.
Schlechte Bilanz in Nürnberg
Mit Siegen wie gegen Braunschweig, Dresden, den KSC und 1860 haben die Kiezkicker in der Rückrunde wieder viel Wind unter den Segeln und nehmen mächtig Kurs auf den Klassenerhalt. Am Freitag wird in Nürnberg vor Anker gegangen. Von acht Zweitligaduellen gewann der FCSP hier nur ein einziges. Nun hoffen alle Club-Fans, dass die Seeräuber um den zweistellig treffenden Stürmer Aziz Bouhaddouz und den ersten Maat Sören Gonther ihren Kaperbrief am Kiez vergessen haben.
Weitere Artikel zur Partie
- 1. FC Nürnberg
- –
- FC St. Pauli
- 51. Aziz Bouhaddouz 0:1
70. Aziz Bouhaddouz 0:2
- Stadion
- Stadion Nürnberg
- Datum
- 07.04.2017 18:30 Uhr
- Schiedsrichter
- Daniel Schlager
- Zuschauer
- 29000
- 1. FC Nürnberg
- ?? - Mühl - Hovland (65. Matavz) - Bulthuis - Brecko - Djakpa - Kammerbauer - Behrens (60. Hufnagel) - Löwen - Kempe - Baumann (73. Gíslason)
- Reservebank
- Rakovsky, Förster, Gíslason, Hufnagel, Ishak, Matavz, Salli
- Trainer
- Michael Köllner
- FC St. Pauli
- Heerwagen - Hornschuh (74. Ziereis) - Sobiech - Gonther - Dudziak - Nehrig - Buchtmann - Sahin (75. Buballa) - Möller Daehli (81. Flum) - Sobota - Bouhaddouz
- Reservebank
- Himmelmann, Buballa, Ziereis, Flum, Miyaichi, Sobiech, Thy
- Trainer
- Ewald Lienen