Profis Freitag, 02.06.2023

Dieter Hecking: "Die beste Lösung für uns"

Foto: Sportfoto Zink

Wir haben gezittert, gelitten und am Ende die Klasse gehalten. Nach zehn Monaten ist am vergangenen Wochenende eine nervenaufreibende Saison zu Ende gegangen. Der perfekte Moment, um mit Dieter Hecking (58) in die Aufarbeitung zu gehen. fcn.de sprach mit dem FCN-Sportvorstand über Analysen, Selbstkritik und den neuen Chef-Trainer.

fcn.de: Starten wir doch gleich mal in die Vollen. Dieter Hecking, wie hast Du das Saisonfinale mit ein bisschen Abstand wahrgenommen? Welche Last ist von Dir abgefallen?

Dieter Hecking: Wir sind am Ende sehr erleichtert gewesen, als wir es gelöst hatten. Vor allem die Art und Weise, wie auch die jungen Spieler in Paderborn mit dem Druck umgegangen sind, hat uns allen imponiert. Und weil die zurückliegenden Monate von großer Intensität geprägt waren, hat es drei, vier Tage gedauert, bis wir alle ein bisschen herunterfahren konnten.

fcn.de: Allerdings nicht wie geplant im Urlaub, sondern am Schreibtisch …

Hecking: Das hat die Doppelfunktion der letzten drei Monate mit sich gebracht. Und wer mich kennt, der weiß, dass ich beides zu 100 Prozent erfüllen wollte. Deshalb gibt es jetzt auch keinen Stillstand. Durch den späten Klassenerhalt, musste einiges offen bleiben, das wir nun Stück für Stück schließen.

fcn.de: Wie sahen die Tage nach dem Klassenerhalt für Dich aus?

Hecking: Am Montag haben wir eine kleine Verabschiedung im Kreis der Mannschaft abgehalten. Diese hätten wir gern früher im Stadion gemacht, aber das war aufgrund der Situation leider nicht möglich. Nachmittags haben wir den Aufstieg der Frauen bei uns am Valznerweiher bejubelt. Danach haben wir zusammen mit Olaf Rebbe und Niels Rossow die Analyse mit dem Aufsichtsrat vorbereitet, die dann am Mittwochabend stattgefunden hat.

fcn.de: Wie hat man sich die Analyse vorzustellen und welches Ergebnis hat dieser Abend hervorgebracht?

Hecking: Wir haben die gesamte Saison über bereits analysiert: was ist nicht gut gelaufen, was müssen wir verändern. Aber auch, was funktioniert hat. Das ist ein ständiger Prozess. Am Mittwoch haben wir dann alle Erkenntnisse zusammengetragen. Wird man wie wir am Ende Tabellen-14. und hatte eine andere Vorstellung vor der Saison, dann ist die Enttäuschung entsprechend groß. Deshalb gab es auch mehr kritische Fakten als positive Dinge zu berichten. Und genau das haben wir zusammen mit dem Aufsichtsrat in einem offenen, kritischen und konstruktiven Austausch analysiert. Verbunden mit dem Ziel, gemeinsam daraus zu lernen.

fcn.de: Und wie sehen diese „Learnings“ aus?

Hecking: Es wird in der Zukunft wichtig sein, dass wir einen Weg, wie wir ihn mit Robert Klauß als Cheftrainer eingeschlagen hatten, nicht verlassen dürfen. Wir hatten mit Beginn meiner Amtszeit eine klare Philosophie vor Augen. Die eng mit unserem NLZ abgestimmt war. Mit dem Ziel, junge Talente aus den eigenen Reihen den Weg zum Profibereich zu ebnen. Das hat zwei Jahre gut funktioniert. Und diesen Weg wollen wir jetzt wieder verstärkt gehen. Mit kontinuierlicher Weiterentwicklung. Aber genau diese hat in der zurückliegenden Saison nicht stattgefunden.

fcn.de: Gab es auch Positives zu berichten?

Hecking: Nach einer solchen Saison, in der wir Fehler gemacht und nur hauchzart die Klasse gehalten haben, möchte davon eigentlich niemand etwas hören. Aber ja, es gab auch positive Ergebnisse. Wie zum Beispiel der Einzug ins Pokal-Viertelfinale, ein positives Transferergebnis und dass wir zum dritten Mal in Folge bei der Nachwuchssäule (eingesetzte U23-Spieler) unter den Top 3 in Deutschland gelandet sind, was uns im letzten Jahr zwei Millionen Euro gebracht hat.

fcn.de: Was soll in der nächsten Saison besser werden?

Hecking: Wir wollen versuchen die Verletztenmisere zu stoppen. Mehr Tore schießen, weniger Tore kassieren und auf dem Platz mit Intensität begeistern. Auch bei Gegenwind nicht unseren Weg aus den Augen verlieren.

fcn.de: Auch wenn der Kader noch nicht final steht, wagen wir trotzdem mal den Blick nach vorn. Wird es wieder eine Zielsetzung geben?

Hecking: Aus den Erfahrungen der letzten Saison nicht (lacht). Das obere Tabellendrittel als Zielsetzung hat uns die gesamte Saison begleitet und uns schon früh in der Saison unter – letztendlich selbstgemachten – Druck gesetzt, der für die Entwicklung nicht förderlich war. Und da bin ich auch selbstkritisch genug, dass ich den Kader vor der letzten Saison teilweise zu gut eingeschätzt habe. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass ich der Mannschaft mehr zugetraut habe.

fcn.de: Cristian Fiel wird jetzt neuer Chef-Trainer. Was hat denn am Ende den Zuschlag für ihn gegeben?

Hecking: Es ist auch unser Weg, dass wir Menschen aus dem eigenen Stall die Chance geben, wenn sie die Qualität haben, nach oben zu kommen. Cristian hat bei der U23 kontinuierlich seinen Weg gefunden. Gerade im zweiten Jahr hat er in Bezug auf die Spielphilosophie, seinen empathischen Aufritt nach außen und hoch motiviert einen richtig guten Job gemacht. Deshalb war er auch meine erste Wahl als Co-Trainer in den letzten drei Monaten bei den Profis. In dieser Zeit habe ich gemerkt, dass er die beste Lösung für uns ist. Man hat gespürt, dass die Spieler mit ihm arbeiten wollen. Vom Typ Mensch und vom Typ Trainer kann es gut passen.

fcn.de: Und wer wird sein neuer Co-Trainer?

Hecking: Zusammen mit Cristian sind wir noch auf der Suche, den richtigen Partner zu finden. Die vorhandenen Co-Trainer bleiben.


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