Der Club demontiert Blocktafel von Andreas Munkert
Der Namensgeber von Block 4 war Mitglied der Waffen-SS, FCN arbeitet NS-Vergangenheit weiter auf.
Seit über 30 Jahren und auch künftig arbeitet der 1. FC Nürnberg mit Club-Historiker Bernd Siegler das Verhalten und die Haltung des Vereins während des Nationalsozialismus auf. Immer wieder gibt es neue Erkenntnisse und Bisheriges muss korrigiert werden. Der Block 4 im Max-Morlock-Stadion trägt daher ab sofort nicht mehr den Namen von Andreas Munkert. Dauerkarten-Inhaber in Block 4 erhalten eine neue Dauerkarte. Der Meisterspieler von 1936 und Pokalsieger von 1935 war freiwilliges Mitglied der Waffen-SS. Damit Namensgeber eines Blockes zu sein, ist mit den Werten und dem Leitbild des 1. FC Nürnberg nicht vereinbar. Die entsprechende Tafel bei Block 4 wurde am 11. Juli 2024 demontiert.
Der 1. FC Nürnberg stellt sich seiner Geschichte in der Zeit des Nationalsozialismus. Seit Jahren befasst sich der Club damit, wie er sich als damals erfolgreichster Verein im deutschen Fußball gegenüber den neuen Machthabern in Deutschland verhalten und wie das NS-Regime mit wechselndem Erfolg versucht hat, diesen Verein für seine Zwecke zu instrumentalisieren. Diese Aufarbeitung erfolgt auf verschiedenen Ebenen: als Bildungsprojekt für Schulklassen („Jenö Konrad Cup – Fußball trifft auf Geschichte“), mit Gedenkstättenfahrten für Fans (Flossenbürg, Dachau), mit Unterstützung weitgehender Recherchen (als Herausgeber des Buches von Bernd Siegler „Heulen mit den Wölfen – Der 1. FC Nürnberg und der Ausschluss seiner jüdischen Mitlieder“), mit entsprechenden thematischen Stadtführungen („Club-Verführungen“) und mit alljährlichen Stolperstein-Verlegungen für ausgeschlossene jüdische Mitglieder. Der 1. FCN macht seine Geschichte und die daraus entstandenen Projekte zudem für jedermann zugänglich auf der interaktiven Lern- und Recherche-Plattform www.clubgeschichte.de.
2008 hat der 1. FCN seine Stadionblöcke nach verdienstvollen Fußballern benannt. Zwei von den folgenden drei Kriterien mussten dabei erfüllt sein: mindestens 400 Spiele für den 1. FCN, Meisterspieler des 1. FCN, mindestens 1 A-Länderspiel.
Details im Buch „Heulen mit den Wölfen“
In der Zwischenzeit hat sich nach Recherchen hauptsächlich in dem im Dezember 2022 erschienenen Buch „Heulen mit den Wölfen – Der 1. FC Nürnberg und der Ausschluss seiner jüdischen Mitlieder“ von Bernd Siegler ergeben, dass insgesamt neun Namensgeber Mitglied der NSDAP bzw. einer NS-Berufsorganisation waren: Gerhard Bergner, Helmut Herbolsheimer, Georg Hochgesang, Hans Kalb (Nationalsozialistischer Deutscher Ärztebund), Andreas Munkert, Richard Oehm, Baptist Reinmann, Hans Schmidt und Heiner Stuhlfauth. Diese Fakten sind in dem Buch „Heulen mit den Wölfen“ von Bernd Siegler veröffentlicht, das der 1. FC Nürnberg herausgegeben hat. Der Club wurde durch eine Medienanfrage sensibilisiert, die Benennung der Blöcke im Stadion zu überprüfen.
In Vorbereitung des Vereinsjubiläums am 4. Mai 2025 (125 Jahre 1. FCN) wird der 1. FC Nürnberg die in die Jahre gekommenen Tafeln für die Namensgeber der Blöcke grundlegend überarbeiten. Sofern der betreffende Namensgeber das NS-Regime „nur“ durch den Eintritt in die NSDAP oder in eine entsprechende Berufsorganisation unterstützt hat, darüber hinaus jedoch weder verbrecherisch gehandelt, noch sich propagandistisch für das NS-Regime hervorgetan hat, behält der Block seinen Namen – ein Vorgehen, das so in Rücksprache mit Historikern auch die Stadt Nürnberg bei der Diskussion um Namensgeber für Straßennamen praktiziert. Es wird auf den überarbeiteten Tafeln auf den NS-Anteil in der jeweiligen Biografie hingewiesen und dies in den historischen Kontext eingebettet. Das betrifft Gerhard Bergner, Helmut Herbolsheimer, Georg Hochgesang, Hans Kalb (Nationalsozialistischer Deutscher Ärztebund), Richard Oehm, Baptist Reinmann, Hans Schmidt und Heiner Stuhlfauth.
Anders verhielt es sich bei Andreas Munkert. Als Deutscher Meister (1936) und Nationalspieler (acht Länderspiele) erfüllt er die Kriterien für die Blockbenennung. 1935 wurde er mit dem Club Pokalsieger.
1938 verließ er nach 297 Spielen den 1. FCN und wurde zum Militär eingezogen. Erst spät kehrte er aus der Gefangenschaft zurück und arbeitete 1951 beim FC Freiburg als Trainer. Andreas Munkert starb am 23. April 1982 in Nürnberg.
Andreas Munkert: kein würdiger Namensgeber
Soweit seine sportliche Karriere. Wie hat er sich aber darüber hinaus in der NS-Zeit verhalten? Am 1. Mai 1933 wurde Andreas Munkert Mitglied in der NSDAP (Nr. 3.944.251). Der gelernte Kaufmann arbeitete zunächst bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse in Nürnberg, ab August 1937 bei der Stadtverwaltung Weida in Thüringen und von Februar 1941 bis März 1942 bei der Deutschen Lufthansa in Berlin-Staaken. Danach war er bis Kriegsende als Soldat im Einsatz.
Am 1. Mai 1940 wurde Munkert freiwilliges Mitglied der Waffen-SS und gehörte zur Verwaltung der SS-Kavallerie-Ersatz-Abteilung in Warschau. In der Saison 1942/43 spielte er für die SG Ordnungspolizei Warschau. Die Angehörigen der Ordnungspolizei waren u.a. an der brutalen Niederschlagung des Warschauer Ghettoaufstandes im April 1943 beteiligt. Zu diesem Zeitpunkt war Munkert noch in Warschau stationiert, ob er bei der Niederschlagung des Aufstands dabei war, geht aus den bislang zur Verfügung stehenden Quellen nicht hervor.
Andreas Munkert ist also nicht nur der NSDAP, sondern auch der Waffen-SS beigetreten. Diese wurde wie die gesamte Schutzstaffel“ (SS) im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher 1946 zur verbrecherischen Organisation erklärt. Ein Waffen-SS-Mitglied ist daher beim 1. FCN nicht würdig, Namensgeber eines Blockes zu sein. Der Block 4 im Max-Morlock-Stadion trägt seit 11. Juli 2024 keinen Namen mehr. Die Tafel von Andreas Munkert wurde demontiert. Dauerkaten-Inhaber in Block 4 erhalten eine neue Dauerkarte.
Andreas Munkert - Zum Interview mit Club-Historiker Bernd Siegler