Profis Donnerstag, 26.05.2022

Daniel Klewer: "So viele unglaubliche Erinnerungen"

Fotos: Sportfoto Zink

Heute vor 15 Jahren gelang dem FCN mit dem 3:2-Sieg im Pokalfinale gegen den VfB Stuttgart der Gewinn des DFB-Pokals. Daniel Klewer war als "Elfmeterkiller" maßgeblich an der erfolgreichen Pokalsaison beteiligt. Wir haben ihn 15 Jahre später nochmal zum Interview gebeten...

fcn.de: Hi Daniel, am 26. Mai jährt sich der DFB-Pokalsieg des FCN im Jahr 2007 zum 15. Mal. Was ist deine schönste Erinnerung an die damalige Pokalsaison?

Daniel Klewer: Erstmal muss ich sagen, dass ich, als eure Anfrage bezüglich des ja schon 15. Jubiläums des Pokalgewinns 2007 kam, dachte: 15 Jahre? Das kann doch nicht sein. Gerade erst war ich doch noch zum 10-jährigen Jubiläum in Nürnberg, als es ein großes Fest dazu im Stadion gab. Die Zeit ist so schnell vergangen. Ich kann ehrlicherweise gar nicht wirklich sagen, was die allerschönste Erinnerung war. Es gab so viele schöne Momente. Angefangen mit den ersten Rundenspielen, die ich selbst von Beginn an gegen Paderborn und Unterhaching gemacht habe. Dann die Erinnerungen an die gehaltenen Elfmeter gegen Unterhaching, die Einwechslung gegen Hannover 96 und die Feierlichkeiten nach dem Pokalsieg in Berlin. Also es gibt so viele unglaubliche Erinnerungen und schöne Momente, weshalb ich eigentlich keine davon herausstellen kann.

fcn.de: War der Pokalsieg für dich der schönste Moment in deiner fußballerischen Laufbahn?

Klewer: Das auf jeden Fall. Ich hatte zuvor jahrelang bei Hansa Rostock gespielt. Das war zu dieser Zeit ein Verein, der jeden Klassenerhalt wie eine Meisterschaft gefeiert hat. Auch in Nürnberg war bereits der Klassenerhalt ein großer Erfolg. Ich hatte deshalb auch nicht wirklich damit gerechnet, dass ich in meiner Karriere dann noch einmal einen Titel gewinnen sollte. Mit dem Trainerwechsel von Wolfgang Wolf zu Hans Meyer im November 2005, als Nürnberg auf dem letzten Tabellenplatz in der Bundesliga stand, ist nochmal eine ganz andere Kraft und Energie in Nürnberg, um den Verein herum und in der Mannschaft entstanden. Den Erfolg, den wir damals hatten, der kam vor allem mit Hans Meyer als neuer Cheftrainer.

fcn.de: Du warst im Tor des FCN hinter Raphael Schäfer über die Saison gesehen damals „nur“ die Nummer 2. Trotzdem bist du durch deine ungewöhnliche, aber entscheidende Rolle als Elfmeterkiller in zwei Elfmeterschießen für den größten Erfolg der jüngeren Club-Geschichte mitverantwortlich. Damit hättest du vor und während der Saison wohl auch nicht gerechnet, oder?

Klewer: Nein, sicherlich nicht. Es ist ja gang und gäbe, dass der zweite Torwart im Pokal seine Einsätze bekommt, um Spielpraxis zu erhalten, weshalb ich mir gewünscht hatte, möglichst viele Pokalspiele zu machen. Wir hatten natürlich in dieser Saison einen guten Lauf und eine gute Mannschaft. Hans Meyer hat da aus vielen guten Einzelspielern etwas Tolles geformt. Dass wir dann letztendlich bis ins Finale kommen sollten, und ich dann durch die gehaltenen Elfmeter noch solche tollen Momente erleben durfte, damit hatte ich niemals gerechnet und dafür bin ich extrem dankbar.

fcn.de: Als du im Pokal-Achtelfinale gegen Unterhaching den verletzten Raphael Schäfer vertreten hast, gelang es dir, gleich vier der fünf Unterhachinger Elfmeter zu vereiteln. Was ging dir während diesem Elfmeterschießen durch den Kopf?

Klewer: Das Spiel gegen Unterhaching, das mit einem 0:0 ins Elfmeterschießen ging, war ja wahrlich kein schönes Fußballspiel. Ich war einfach nur froh, dass ich 120 Minuten die Kiste sauber halten konnte, weil ich wusste, dass ich ein guter Torhüter bei Elfmetern bin. Im Training, im Jugendbereich oder auch in den Spielen damals noch bei Hansa Rostock war ich immer schon ein Keeper, der für solche Situation ein gutes Gefühl hatte. Und mit diesem Gefühl bin ich auch in dieses Elfmeterschießen gegen Unterhaching gegangen. Der Torhüter hat dabei letztendlich einen psychologischen Vorteil. Der Schütze ist viel stärker unter Druck als der Torwart. Er muss treffen, und der Keeper kann halten. Deshalb konnte ich auch mit einer entspannteren Haltung in das Elfmeterschießen gehen und habe mich darauf gefreut. Dass ich dann vier von fünf Elfmetern halte, hatte ich so vorher auch noch nie erlebt.

fcn.de: Du hast es gerade schon kurz angesprochen: Deine Leistungen als Elfmeterkiller waren also eher über Jahre antrainiertes Können als Glück in dieser magischen DFB-Pokalsaison 2006/07?

Klewer: Natürlich gehört bei Elfmetern generell Glück dazu. Auch für den Torhüter. Ich würde aber schon sagen, dass ich schon von klein auf als Keeper eine Spezialität bei Elfmetern hatte. Ich kann mich im Jugendbereich noch an die Ausscheidungen zu den Deutschen Meisterschaften bei „Jugend trainiert für Olympia“ erinnern, als ich im Viertel- und Halbfinale auch in entscheidenden Situationen mehrere Elfmeter gehalten hatte. Meine Mitspieler in Nürnberg haben schnell auch im Training gemerkt, dass das eine Qualität von mir ist, und ich wusste selbst auch, dass die gehaltenen Elfmeter in der Pokalsaison 2006/07 kein einmaliges Wunder waren, bei denen ich per Zufall in die richtigen Ecken gesprungen bin, sondern ich hatte schon ein gutes Händchen für die Elfmeter.

fcn.de: Hast du dich vorher gezielt auf mögliche Elfmeterschießen vorbereitet? Bei Jens Lehmann gab’s ja zum Beispiel bei der WM 2006 den berühmten Spickzettel…

Klewer: Nein. Heutzutage ist es ja vergleichsweise einfach, Statistiken zu den Schusspräferenzen der potenziellen Elfmeterschützen im Vorfeld eines Spiels zu bekommen. Ich habe mich aber immer auf meine Intuition verlassen. Das klingt vielleicht etwas doof, aber ich hatte bei den meisten Elfmetern in meiner Karriere während des Anlauf des Schützen eine Eingebung, ein Gedanke, der durch meinen Kopf schoss, dem ich gefolgt bin. Und dann hatte ich natürlich auch die entsprechende Körpergröße und auch das richtige Timing beim Absprung. Letztendlich war es jedoch hauptsächlich die Intuition. Ich würde behaupten, dass ich in meinem Leben bei Elfmetern zu 80 Prozent die richtige Ecke erahnen konnte. Natürlich waren die richtig gut geschossenen Elfer selbst bei der richtigen Ecke trotzdem drin, aber es war für mich selbst wirklich auffällig, dass ich sehr oft in der richtigen Ecke war. Das heißt die Intuition für die richtige Ecke war immer schon da. Wo das herkam, kann ich nicht sagen, vielleicht etwas Paranormales. (lacht)

fcn.de: An welche(n) Elfmeter erinnerst du dich noch am besten?

Klewer: Besonders ist mir der zweite Elfmeter von Unterhaching im Achtelfinale im Gedächtnis geblieben. Babacar N’Diaye hatte den Ball hervorragend in die von mir aus gesehen rechte untere Ecke geschossen. Ich hätte selbst nicht damit gerechnet, dass der Ball mir am Handschuh kleben bleibt. Das war ein Elfmeter, bei dem ich mir in diesem Augenblick dachte, dass das heute ein besonderer Tag sein muss.

fcn.de: War der Einfall von Hans Meyer im Viertelfinale gegen Hannover 96, dich bei einem potenziellen weiteren Elfmeterschießen kurz nach dem Ende der Verlängerung einzuwechseln, ein geplanter Schachzug oder eine Entscheidung von spontaner Natur?

Klewer: Ich muss zunächst zugeben, dass ich ein bisschen angesäuert auf der Bank saß, weil ich nach dem Unterhaching-Spiel damit gerechnet hatte, dass ich wieder von Beginn an im Pokal ran darf. Dann ging das Spiel in die Verlängerung und dann kam Hans Meyer für mich aus dem Nichts heraus auf mich zu, mit der Aufforderung, mich warm zu machen. Damit hatte ich in diesem Moment überhaupt nicht mehr gerechnet und ich dachte mir direkt: 'Oh Gott, was hat er denn jetzt für eine Idee, will er mich hier jetzt wirklich noch einwechseln?' Dann bin ich während der Verlängerung zum Warmmachen gegangen, was die Fans im Stadion schnell vernahmen. Sie wussten natürlich, was ich gegen Unterhaching geleistet hatte. Das war natürlich geil. Bei der Einwechslung in der 119. Minute kam dazu eine schöne Euphorie im Stadion auf. Das war schon toll. 40.000 Zuschauer haben mich in diesem Moment wahnsinnig unterstützt. Dass ich dann im Elfmeterschießen nochmal als „Elferkiller“ zuschlagen konnte, war für mich ein Moment, den ich retrospektiv als den größten Moment in meiner Fußballer-Karriere bezeichnen würde.

fcn.de: Wann hattest du bzw. die Mannschaft das Gefühl, dass ihr tatsächlich Pokalsieger werden könnt?

Klewer: Ich persönlich hatte zunächst von Runde zu Runde gedacht. Dann kam der Sieg im Viertelfinale gegen Hannover 96 und uns wurde im Halbfinale das Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt zugelost. Als wir die Eintracht dann sogar mit 4:0 aus dem eigenen Stadion fegten, kam eine starke Überzeugung im Team auf, dass wir in der Lage sind, potenziell jeden Gegner zu schlagen. Innerhalb der Bundesliga-Saison 2006/07 hatten wir bereits viele namhafte Mannschaften geschlagen. So sind wir mit durchaus breiter Brust nach Berlin gefahren und waren überzeugt, im Finale ein ebenbürtiger Gegner für den VfB Stuttgart zu sein, den wir in dessen damaliger Meistersaison bereits zweimal bezwungen hatten. Der Glaube, den DFB-Pokal zu gewinnen, war mit dem deutlichen Heimsieg gegen Frankfurt bei mir und meinem Team stark gewachsen.

fcn.de: Auch im DFB-Pokalfinale gegen den VfB Stuttgart wurdest du von Trainer Hans Meyer beim Stand von 2:2 in der Verlängerung zum Warmmachen geschickt. War das bereits vor dem Spiel für den Fall der Fälle abgesprochen und warst du nach den Spielen zuvor im DFB-Pokal voller Selbstvertrauen und davon überzeugt, ein weiteres Mal zum Pokalheld zu werden oder überwog in dieser Situation eher der Respekt vor diesem wichtigen Moment?

Klewer: Im Vorfeld jedes Spiels hatten Hans Meyer und ich nie darüber kommuniziert, dass ich im Falle eines weiteren Elfmeterschießens wahrscheinlich wieder eingewechselt werden würde. Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass Hans mich während der Verlängerung mit den Worten 'Jetzt mach dich mal warm, was sitzt du noch hier rum?' zum Warmmachen schickte. Tatsächlich hatte ich aber im Gegensatz zum Viertelfinale im Pokalfinale nicht mehr so eine starke Überzeugung, das Ganze nochmal zu wiederholen. Nach den beiden Elfmeterschießen im Achtel- und Viertelfinale wäre die Erwartungshaltung sehr hoch gewesen. Die „Underdog-Mentalität“, die ein Torwart normalerweise in Elfmeterschießen hat, wäre deshalb nicht mehr in der gleichen Art und Weise gegeben gewesen. Da hat die Nervosität deshalb das erste Mal überwogen, weshalb ich sehr glücklich bin, wie die Verlängerung letztendlich verlaufen ist und Jan Kristiansen doch noch mit seinem Traumtor die Partie in der Verlängerung für den Club entscheiden konnte.

fcn.de: Was war aus deiner Sicht die Schlüssel für diesen Triumph des FCN? Was hat die damalige Mannschaft ausgezeichnet, was war besonders?

Klewer: Das war ein Spielerkader mit wirklich hohem Potenzial. Dann kam der Trainerwechsel zu Hans Meyer, der aus der hohen individuellen Klasse der einzelnen Spieler mit seiner Herangehensweise auch eine funktionierende Mannschaft geformt hat. Mit seiner Aura und seiner Überzeugungskraft hat er jeden Spieler besser gemacht. Nicht nur die jungen Spieler wie Dominik Reinhardt oder Andreas Wolf, die noch in ihrer Entwicklung waren, sondern aus meiner Sicht jeden Spieler, den er noch einmal auf ein neues Niveau gebracht und die Mannschaft so geformt hat. Er war letztendlich der unangefochtene Chef, dem alle gefolgt sind. Auch weil wir nach dem Trainerwechsel einen unglaublichen Lauf gestartet hatten und schnell auf einer Euphorie-Welle ritten. Da ist eine unglaubliche Energie entstanden, die dann letztendlich zu diesem Niveau, das wir damals spielen konnten, geführt hat.

fcn.de: Wie waren die Feierlichkeiten nach dem Pokalsieg? Was ist dir besonders in Erinnerung geblieben?

Klewer: Ganz viel natürlich. Die Unterstützung unserer Fans in Berlin war Wahnsinn. Nach dem Spiel haben wir bis tief in die Nacht in Berlin noch gefeiert und das Hotelbett gar nicht gesehen. Dann mit dem Flieger zurück nach Nürnberg und der unvergessliche Empfang am Flughafen durch etwa 30.000 Club-Fans und später dann insgesamt 200.000 in der Stadt, die uns im Autokorso begleitet haben. Wenn man auf einem Niveau wie ich Fußball gespielt hat, dann erlebt man das wahrscheinlich nur einmal. Auch der Empfang und die Feierlichkeiten am Rathaus mit unseren Fans waren wirklich tolle Erlebnisse, die wahrscheinlich auch all unsere Club-Fans, die in der gesamten Pokalsaison mitgefiebert und das hautnah miterlebt haben, nie vergessen werden.

fcn.de: Gibt es für dich auch heute - nach 15 Jahren - noch Kontakte zum Club, vielleicht auch noch zu anderen Pokalhelden von 2007?

Klewer: Der Kontakt wird mit der Zeit natürlich etwas weniger, aber wir haben uns deshalb nicht aus den Augen verloren. Wir haben beispielsweise noch eine Chatgruppe, in der noch ein paar Spieler aus der Sieger-Mannschaft sind. Wenn ich in Nürnberg bin, treffe ich mich auch immer wieder mit Andreas Wolf, mit dem ich ein gutes, freundschaftliches Verhältnis habe und auch immer wieder mit ein paar anderen ehemaligen Teamkollegen. Vielleicht gibt es in fünf Jahren beim 20. Jubiläum ja wieder ein offizielles Miteinander in Nürnberg, worüber ich mich sehr freuen würde.

fcn.de: Das lässt sich bestimmt wieder organisieren. Vielen Dank für das Interview, Daniel!


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