Fans Sonntag, 14.11.2021

ClubGeschichte.de: "In unserem Archiv schlummern viele Schätze"

Seit kurzem hat der 1. FC Nürnberg unter www.clubgeschichte.de eine eigene Plattform online, auf der Club-Fans und Interessierte die Historie des FCN erfahren, dort selbst forschen und erleben können. Mit dieser Website bietet der Club seinen Fans und allen Menschen, die an der Geschichte des Vereins interessiert sind, ein pralles Angebot - von einer Geschichtswerkstatt über Clubverführungen und den Jenö-Konrad-Cup bis zu Bildungsfahrten für Fans. fcn.de hat mit FCN-Historiker Bernd Siegler und Hannes Orth, zwei Initiatoren der Plattform, gesprochen.

Woher kam die Idee einer Geschichtswerkstatt?

Bernd Siegler: Als Kurator des Club-Museums bin ich regelmäßig bei den Treffen des Netzwerks deutscher Fußballmuseen und -archive. Dort bekam ich mit, dass Fortuna Düsseldorf im Vorfeld des 125-jährigen Vereinsjubiläums die eigene Geschichte zusammen mit interessierten Fans in einer Art Geschichtswerkstatt aufarbeitet. Das fanden wir spannend, vor allem im Hinblick auf die wechselvolle Club-Geschichte und die vielen an historischen Themen interessierten Fans. Der Mythos, der den 1. FC Nürnberg umweht, speist sich ja aus grandiosen Erfolgen, aus bis heute unerreichten Rekorden, aber auch aus peinlichen Fehlschlägen. Da gibt es viel zu erfahren und selber zu erforschen. Die neue interaktive Recherche- und Lernplattform www.ClubGeschichte.de bietet nun vielfältige Möglichkeiten, sich diese faszinierende Geschichte anzueignen und mit ihr zu arbeiten.

Wie muss man sich das genau vorstellen? Um recherchieren zu können, braucht man Material und Ansatzpunkte.


Bernd Siegler: Richtig. In unserem Archiv schlummern viele Schätze, beispielsweise die zum Teil handgeschriebenen Chroniken von der Vereinsgründung bis einschließlich 1940. Dazu kommen ab 1922 Vereinszeitungen, Stadionhefte und Mitgliedermagazine und zu runden Vereinsgeburtstagen hat es in der Regel immer eine Festschrift gegeben. Diese Schätze waren bislang nur ganz wenigen vorbehalten – schon allein aus konservatorischen und personellen Gründen. Diese insgesamt rund 90.000 Seiten hat der Club digitalisieren lassen und auf Club Geschichte.de gestellt. Jede und jeder, die oder der Interesse an der Club-Geschichte hat, kann nun darin stöbern oder gezielt recherchieren.

Wie wurde aus der Idee einer digitalen Geschichtswerkstatt dann anschließend Realität?

Hannes Orth: Wir haben uns in unserem Team zusammengesetzt und ein Konzept erarbeitet. Im Zentrum stand dabei zunächst die Suche nach einem Partner für die technische Umsetzung und ein geeigneter Finanzierungstopf. Mit den Mädels und Jungs von DFAU war unser „Technik“-Partner schnell gefunden. Nach einiger Recherche haben wir uns dann entschieden, unsere Projektskizze bei PFIFF einzureichen. PFIFF steht für „Pool zu Förderung innovativer Fußball- und Fankultur“ und ist bei der DFL Stiftung angedockt. Katharina Fritsch und ich wurden dann im Herbst 2019 nach Frankfurt eingeladen, um unser Projekt vorzustellen. Und was sollen wir sagen: Als erster Verein überhaupt wurde uns die Maximalfördersumme von 50.000 € zugesprochen. Damit konnte die Arbeit losgehen.

Gehen andere Vereine im deutschen Fußball einen ähnlichen Weg?

Bernd Siegler: Nein, meines Wissens ist der Club der erste und einzige Verein, der auf einer vereinseigenen Website all seine Vereinsmedien online zur Verfügung stellt. Eintracht Frankfurt bietet einen Zugang zu den Vereinsmedien über die Archivschule der Universität Marburg an, bei Eintracht Braunschweig sind große Teile der Vereinszeitungen auf einem Server der TU Braunschweig abrufbar. Der 1. FCN gibt mit diesem Schritt auch die Deutungshoheit an seiner Geschichte preis. Jeder kann nun in die Quellen gehen und sich ein eigenes Bild machen. Genau das wollen wir, ganz nach dem Motto: Mach die Club-Geschichte zu deinem Ding!

Und wie geht es dann weiter, wenn man es zu „seinem Ding gemacht hat“? Was passiert mit den Ergebnissen der einzelnen Recherchen?

Bernd Siegler: Wir verstehen das Ganze als interaktives Lern- und Rechercheportal. Wir würden uns daher sehr freuen, wenn die Ergebnisse auch den Weg wieder zu uns finden würden, damit wir sie wiederum allen Interessierten zur Verfügung stellen können. Genauso ist das ja gedacht. Schließlich arbeiten wir und ein paar Ehrenamtliche daran, über kurz oder lang eine komplette Datenbank der Spieler und Spiele des 1. FC Nürnberg seit der Gründung am 4. Mai 1900 auf die Beine zu stellen. Die Geschichtswerkstatt und die Darstellung der Ergebnisse in einer umfangreichen Datenbank verstehen sich als work-in-progress, d.h. sie wächst mit der Recherchebeteiligung und mit jedem Projekt.

Ihr habt viel Zeit, Lust und Leidenschaft in ClubGeschichte.de gesteckt. Was macht dieses Geschichtsprojekt für den Club so besonders?

Hannes Orth: Ganz einfach: Wer die Gegenwart verstehen will, muss die Vergangenheit kennen. Das gilt auch für den Fußball. Fußball war nicht immer ein Millionengeschäft. Die Entwicklung des Fußballs in diese Richtung und die Fanszene wirken sich auf die einzelnen Vereine aus. Diese agieren zudem nicht im luftleeren Raum, auch gesamtgesellschaftliche Ereignisse schlagen sich im Sport nieder. Der Fußball ist daher immer ein Spiegelbild der Gesellschaft.

Das gilt leider auch für Rassismus und Antisemitismus. Der ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. „Jude“ ist nicht nur ein gängiges Schimpfwort in den Schulen auf dem Pausenhof, sondern auch im Stadion und auf den Sportplätzen. Mit ClubGeschichte.de und anderen Projekten stellt sich unser Verein seiner sozialen Verantwortung in diesem Bereich, um solchen Entwicklungen entgegenzuwirken und Rassismus sowie Antisemitismus konsequent die rote Karte zu zeigen. Daher bietet unsere Plattform nicht nur den historischen Blick in unsere Vergangenheit, sondern ermöglicht auch einen niedrigschwelligen Zugang zu unseren Bildungsprojekten.


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