Business Freitag, 28.01.2022

Club-Beitrag zum Online-Lexikon "Niemals vergessen" über jüdische Fußballer

Das Deutsche Fußballmuseum veröffentlichte zum internationalen Gedenktag an die Opfer des Holocaust am Donnerstag, 27. Januar 2022, „Niemals vergessen – das Online-Lexikon verfolgter jüdischer Fußballer“. Das Nachschlagewerk widmet sich den Lebensgeschichten heute zumeist vergessener jüdischer Fußballer und Funktionäre, die bis zu ihrer Ausgrenzung in der Zeit des Nationalsozialismus einen zentralen Teil der deutschen Fußballkultur ausmachten. Mit dabei ist auch die Biografie des ehemaligen Club-Spielers Justin Isner, die Club-Historiker Bernd Siegler zu diesem Anlass recherchierte.

Das Lexikon ist in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk der deutschen Fußballmuseen und Vereinsarchive entstanden. Schon jetzt sind 24 Vereine und Gruppen aus ganz Deutschland – darunter u.a. der Hamburger SV, FC Schalke 04, Arminia Bielefeld, Eintracht Frankfurt, Kickers Offenbach, 1. FC Nürnberg und der FC Bayern München – beteiligt. Unter dem Dach des Fußballmuseums werden die von den Vereinsmuseen und lokalen Fangruppen recherchierten Biografien erstmals an einem zentralen Ort zusammengefasst und damit das Gedenken an sie fest im deutschen Fußball verankert. Dauerhaft und kostenlos abrufbar ist das Lexikon auf www.fussballmuseum.de.

Museumsdirektor Manuel Neukirchner: „Die Nationalsozialisten löschten nicht nur Leben aus, sondern auch Erinnerungen. Die Konterfeis sportlich erfolgreicher Juden wurden aus Sammelalben entfernt, ihre Namen von Gedenkplatten gekratzt, ihre Gesichter aus Vereinsfotos herausretuschiert und ihre Erfolge aus Rekordlisten gestrichen. Mit dem Online-Lexikon machen wir auf das Schicksal verfemter und ermordeter jüdischer Sportpioniere aufmerksam, die dem Fußball in Deutschland einst wichtige Impulse gaben. Zudem ist es unser Anliegen, ein permanentes Zeichen gegen jede antisemitische und rassistische Tendenz im heutigen Fußball zu setzen.“

200 Namen ein Gesicht gegeben – einer davon: Justin Isner vom 1. FC Nürnberg

In akribischer Detailarbeit und dank umfangreicher Vorrecherchen am Institut für Sportwissenschaft der Leibniz Universität Hannover konnten unter der Projektleitung von Dr. Henry Wahlig bereits über 200 Biografien jüdischer Fußballer und Funktionäre rekonstruiert und dem Lexikon hinzugefügt werden.

Einer davon ist Justin Isner vom 1. FC Nürnberg: Justin Isner wurde am 2. November 1889 in Hüttenbach bei Hersbruck geboren. Um den 1. FC Nürnberg zu unterstützen, trat der fußballbegeisterte Mitinhaber einer Tuchwarengroßhandlung in der Adlerstraße in Nürnberg dem Verein am 1. September 1922 als passives Mitglied bei. Isner hatte mit seiner Frau Babette geb. Lutz zwei Töchter: Bella (geb. am 30. April 1928) und Ruth (geb. am 26.Oktober 1929). Isner wurde im Mai 1939 wegen angeblicher „Rassenschande“ verhaftet, Auf Intervention seiner Frau kam er wieder frei. Noch am Tag seiner Entlassung kaufte er vier Tickets für die St. Louis, die am 13. Mai 1939 von Hamburg nach Kuba fahren sollte. An Bord des Schiffes befanden sich 937 Deutsche jüdischen Glaubens, die Hin- und Rückfahrtickets sowie Touristenvisa für Kuba in der Tasche hatten.

Am 27. Mai 1939 erreichte das Schiff Havanna. Die kubanischen Behörden verweigerten jedoch den Passagieren an Land zu gehen, weil sie die Visa nicht anerkannten. Nach langen Verhandlungen durften 29 Passagiere von Bord. Am 2. Juni 1939 musste das Schiff Kuba verlassen. Auch die Verhandlungen des Schiffskapitäns mit den USA und mit Kanada blieben erfolglos, das die St. Louis auf Weisung der Reederei nach Europa zurückkehren musste. Die belgische Regierung erlaubte schließlich die Landung in Antwerpen und die Passagiere wurden auf die Länder Belgien (214), Niederlande (181), Frankreich (224) und Großbritannien (254) aufgeteilt.

Mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern kam Justin Isner ins französische Loudun. Die Familie lebte dort in ständiger Angst und Armut. Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Frankreich galten sie als feindliche Ausländer. 1942 wurde die Familie verhaftet und im Sammellager Drancy bei Paris interniert. Am 6. November 1942 wurde Justin Isner mit insgesamt 1.000 Juden von Drancy aus in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Er wurde dort ermordet und offiziell für tot erklärt.

Weiterer Beitrag zur Erinnerungskultur

Im Online-Lexikon befinden sich bekannte Namen wie der des Nationalspielers Julius Hirsch, der im KZ Auschwitz ermordet wurde, aber auch viele bislang eher unbekannte Persönlichkeiten kleinerer Klubs, die gleichwohl vor Ort einen wichtigen und lange vergessenen Teil der Fußballhistorie ausmachen. Die Biografien sind mit Namen, Vereinszugehörigkeit, Erfolgen und Lebensschicksal hinterlegt und über diese Kategorien zu recherchieren. Interessierte Fangruppen sowie Schulklassen sind ausdrücklich dazu aufgerufen, in ihrem Umfeld weitere Lebensgeschichten zu erforschen und hinzuzufügen. Das Lexikon wird somit als zentraler virtueller Gedenkort des deutschen Fußballs immer weiter wachsen.

Mit Niemals vergessen – das Online-Lexikon verfolgter jüdischer Fußballer veröffentlicht das Deutsche Fußballmuseum erstmals eine zeitgemäße, multimediale Vermittlung der vielfältigen Verdienste der Juden für die deutsche Fußballgeschichte und zugleich ihrer grausamen Verfolgungsgeschichte in Deutschland. Im Fußballmuseum erweitert es die Bildungsangebote zur Erinnerungskultur. Durch die Zusammenführung soll aber auch die wichtige Arbeit in den Vereinen vor Ort gewürdigt und bekannt gemacht werden.

Mit der Veröffentlichung des Online-Lexikons löst das Deutsche Fußballmuseum jetzt das Versprechen ein, das es beim Festakt zum 100. Geburtstag der Maccabi World Union gegeben hatte. Makkabi Deutschland ist Kooperationspartner und Unterstützer des Projektes.

Beteiligte Gruppen und Vereine: Stadtarchiv Aachen, 1. FC Augsburg, Hertha BSC Berlin, Tennis Borussia Berlin, Arminia Bielefeld MAFA, VfL Bochum 1848, Eintracht Braunschweig, SV Werder Bremen Vereinsarchiv, Fortuna Düsseldorf, Eintracht Frankfurt Museum, SC Freiburg, FC Schalke 04, Hamburger SV Museum, Hannover 96 Vereinsarchiv, 1. FC Kaiserslautern Museum, Lokomotive Leipzig, Bayer 04 Leverkusen, 1. FSV Mainz 05, FC Bayern München Museum, 1. FC Nürnberg, Kickers Offenbach, VfL Osnabrück Museum, VfB Stuttgart, Stuttgarter Kickers Fanprojekt.

Kooperationspartner: Makkabi Deutschland, Netzwerk der deutschsprachigen Fußballmuseen und Vereinsarchive


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