Profis Montag, 15.05.2023

Christian Wück 30 Jahre nach dem "Tor des Monats": "Es war meine schönste Zeit"

Foto: DFL

Es war die 75. Spielminute am 15.05.1993 beim Bundesliga-Spiel zwischen dem 1. FC Nürnberg und der SG Wattenscheid 09, als Reinhold Hintermaier einen Geistesblitz hatte. Beim Stand von 0:2 bekamen die Cluberer einen Freistoß zugesprochen, Reinhold Hintermaier nahm sich der Sache an. Jedoch täuschte der Mittelfeldspieler nur an, sich den Ball zurechtzulegen und hob diesen kurzerhand per Lupfer über die gegnerische Mauer zu Christian Wück. Der Angreifer nahm den Ball volley und schweißte ihn ins kurze Eck – und erzielte damals damit das "Tor des Monats". 30 Jahre später blickt Wück nochmal auf den Treffer und seine Zeit beim Club und spricht über seine Freude an der Nachwuchsarbeit.

fcn.de: Servus, am 15. Mai 1993 glückte Ihnen im Club-Trikot gegen Wattenscheid das "Tor des Monats". Wie präsent sind die Erinnerungen daran heute, 30 Jahre später, noch?

Christian Wück: An das Tor kann ich mich noch sehr gut erinnern, das wird auch noch ziemlich häufig gezeigt, weil es eben ein Tor des Monats war. Dabei war das damals ein absolutes Katastrophenspiel für uns. Zu dem Zeitpunkt stand es schon 2:0 für Wattenscheid und wir haben eigentlich gedacht, dass wir nach dem Tor nochmal zurückkommen. Aber von der ersten bis zur letzten Minute war das echt ein Katastrophenspiel von uns (lacht).

fcn.de: Ihr Treffer mal ausgenommen...

Wück: Das Tor hatten wir schon im Training öfter mal einstudiert, der Reini Hintermaier und ich. So war die Freistoßvariante natürlich abgestimmt, dass ich in der Mauer stehe und er den Ball über die Mauer lupft. Dass es dann natürlich perfekt hinhaut, war toll. Trotzdem kann ich mich dran erinnern, dass das Hauptgefühl nach dem Spiel natürlich nicht so gut war, da wir das Spiel verloren hatten.

fcn.de: Haben Sie damals sofort gemerkt, dass Ihnen ein besonders schönes Tor geglückt ist?

Wück: Nein, das war für mich ein Tor wie jedes auch. Aber ich glaube jedes Tor, das man in der Bundesliga schießt, ist ein ganz besonderes. Von daher kann ich mich noch an viele Tore erinnern, die ich für den Club erzielt habe, weil es auch meine erfolgreichste Zeit war. Auch mit der Mannschaft, die über vier Jahre zusammengewachsen war. Das war einfach eine herausragende Zeit mit vielen Persönlichkeiten und echten Franken.

fcn.de: Gibt’s die „Tor des Monats“-Medaille noch?

Wück: Ja, die habe ich bei mir zu Hause im Regal stehen. Ein "Tor des Monats" zu erzielen, war natürlich schon eine besondere Ehre. Zumal ich damals ja erst 19 Jahre alt war.

fcn.de: Sie sind bis heute der jüngste Club-Profi aller Zeiten und haben nicht nur das "Tor des Monats" erzielt, sondern auch das eine oder andere Highlight erlebt. Erinnern Sie sich an ein Spiel noch besonders gerne?

Wück: Was natürlich unvergessen ist, ist der 3:1-Sieg im Olympiastadion in München. Und das ist ja immer noch der letzte Sieg, den eine Club-Mannschaft beim FC Bayern in München geholt hat. Das war natürlich das herausragende Spiel für mich als Franke. Ich bin eingewechselt worden und habe dann direkt nach sieben Sekunden das Tor gemacht, hab dann das letzte Tor noch für Sergio Zarade vorgelegt. Andy Köpke hat noch einen Elfmeter gehalten. Es waren auch brutal viele Cluberer im Stadion – ich kann mich noch erinnern, wie wir vor der Kurve gefeiert haben. So etwas bleibt natürlich hängen.

fcn.de: Sie waren nicht nur beim damaligen Sieg in München der perfekte Joker, sondern haben auffallend oft nach Einwechslungen getroffen. Was war Ihr Geheimnis?

Wück: Ich glaube, die Freude in der Bundesliga spielen zu dürfen. Die Gelegenheit zu haben, sich beweisen zu können. Hinzukommt diese Unbekümmertheit, die man als junger Spieler einfach hat. Zum einen diese Unbekümmertheit individuell, aber eben auch, dass es in diesen Jahren in der Mannschaft unheimlich harmoniert hat. Es war eine unheimlich homogene Mannschaft mit unterschiedlichen Charakteren, die nicht nur auf, sondern auch neben dem Platz funktioniert hat. Dazu noch ein Trainerteam, mit Willi Entenmann und Dieter Renner, die junge Spieler unglaublich unterstützt haben.

fcn.de: Sie haben damals bereits mit 17 Jahren Ihr Debüt gefeiert und dann mit vielen bekannten und großen Cluberern wie Andy Köpke, Reini Hintermaier, Dieter Eckstein, Sergio Zarate und vielen mehr zusammengespielt. Wie war das für Sie als jungen Kerl?

Wück: Ich bin damals in der B-Jugend zum Club gekommen und dann ging das schon relativ schnell. Dadurch kam ich gar nicht zum Nachdenken, sondern habe einfach gemacht. Es war damals auch noch eine andere Zeit. Ich habe noch über zwei bis drei Saisons alle Bälle getragen. Und jetzt, wo ich Jugendtrainer beim DFB bin, da wünscht man sich die alte Zeit schon so ein bisschen zurück. Viele Dinge haben sich total verändert, unser Umgang mit den jüngeren Generationen hat sich auch komplett geändert. Von daher kann ich nur sagen, es war nicht einfach, damals als junger Spieler überhaupt in der Bundesliga Fuß zu fassen, aber es hat unheimlich viel Spaß gemacht.

fcn.de: 1994 ging's für Sie vom Club nach Karlsruhe. Wie würden Sie Ihre gesamte Zeit beim FCN rückwirkend bewerten.

Wück: Es war meine individuell erfolgreichste Zeit und dadurch eben auch die schönste Zeit. Als ich danach vom Club zum KSC gewechselt bin, war ich nur noch verletzt und konnte nicht mehr die Leistungen, die ich beim Club gezeigt habe, abrufen. Insgesamt war es eine turbulente Zeit mit sehr vielen Präsidenten, der Schiri-Affäre, Dieter Eckstein wurde verkauft nach Schalke, ich war damals auch schon teilweise verkauft... Aber ich hoffe und glaube, die Club-Fans denken nicht nur wegen des Bayern-Spiels unheimlich gern an diese Zeit zurück, sondern weil in dieser Mannschaft super Typen drin waren, wie ein Charly Dorfner, ein Manni Schwabl, ein Andy Köpke, der Thomas Brunner und viele andere. Das waren die alten Haudegen, die auch einfach dieses fränkische Gefühl auf dem Platz zeigen konnten.

fcn.de: Wie genau verfolgen Sie den Club heute noch? Finden Sie noch Zeit, die Spiele des Club zu schauen und fiebern Sie bei Spielen des FCN immer noch mit?

Wück: Ja, natürlich. Das gehört einfach dazu, wenn man in diesem Geschäft tätig ist. Ich bin auch noch sehr oft in Nürnberg, allerdings mehr im Nachwuchsleistungszentrum. Ich habe mit Finn Jeltsch auch einen Spieler vom Club in meiner derzeitigen U17-Nationalmannschaft. Außerdem ist mit Rainer Zietsch ein Ex-Cluberer Teil meines Trainerteams.

fcn.de: Wussten Sie als aktiver schon, dass Sie später mal als Trainer fungieren wollen?

Wück: Nein, das hat sich einfach so ergeben. Ich habe damals mit 29 Jahren in Bielefeld mit dem Fußballspielen aufhören müssen, wegen einer schweren Knieverletzung, habe dann meine Trainerscheine gemacht und hatte dann das Glück, bei Rot-Weiss Ahlen von der Regionalliga in die 2. Liga aufsteigen zu dürfen. Mit einem Marco Reus und einem Kevin Großkreutz, die damals in der A-Jugend gespielt haben. Die ich dann wiederum in die erste Mannschaft geholt habe. Mit denen haben wir dann den Aufstieg in den bezahlten Profifußball geschafft. Und das waren eigentlich meine ersten Schritte in diesem Trainergeschäft, die auch recht erfolgreich anfingen. Über einige Umwege bin ich dann zum DFB gekommen. Da arbeite ich nun seit 2011 und es macht unheimlich viel Spaß, junge Talente neu zu entdecken und ihnen vielleicht den ein oder anderen Tipp mit auf den Weg zugeben.

fcn.de: Warum ist die Arbeit mit Talenten genau Ihr Ding?

Wück: Ich weiß gar nicht, ob es genau mein Ding ist. Es ist einfach eine Geschichte, die unheimlich viel Spaß macht. Und neben Marco und Kevin, die ich im Vereinsfußball kennengelernt habe, hab ich ja jetzt auch schon beim DFB einige Jahrgänge betreut. Dazu gehört Timo Werner, ein Julian Brandt, ein Flo Wirtz, ein Jamal Musiala, die alle irgendwo mit mir ein bisschen was zu tun hatten. Ich glaube nicht, dass sie ihren Weg nicht gegangen wären, wenn ich sie nicht trainiert hätte, aber vielleicht haben sie den ein oder anderen Tipp aufgenommen, der ihnen vielleicht ein bisschen geholfen hat. Und es ist unglaublich schön, die Jungs dann in der Bundesliga zu sehen. Sie auf dem Trainingsplatz und bei einem Bundesligaspiel zu sehen, weil der Kontakt eigentlich nie abreißt.

fcn.de: Sie haben vorhin schon erwähnt, dass bei ihnen in der U17 auch ein Spieler vom Club dabei ist – Finn Jeltsch. Wie bewerten Sie die Nachwuchsarbeit beim Club aktuell grundsätzlich?

Wück: Der Club steht für ein gutes NLZ, für eine gute Nachwuchsarbeit. Die U17 hatte zu Beginn dieser Saison gewisse Schwierigkeiten, ist jetzt aber gut drauf. Die U19 macht es schon seit einigen Jahren ziemlich gut. Und auch die U23 ist unheimlich wichtig für den Club, um die Talente weiterzuentwickeln. Denn nur die absoluten Top-Talente schaffen es vielleicht ohne Umweg in die Profimannschaft. Ich denke schon, dass der ein oder andere aus diesen Jahrgängen, die ich mittlerweile gut kenne, die Möglichkeit hat, oben anzuklopfen und bei den Profis seinen Weg zu gehen. Und jetzt wollen wir erstmal mit Finn Jeltsch zusammen Europameister werden, Mitte Mai, wenn wir in Ungarn unsere Europameisterschaft haben. Da hat Finn dann auch die erste große Chance, einen internationalen Titel zu holen.

Seit 2011 ist Christian Wück beim DFB und aktuell für die U17 verantwortlich

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