1935: 1.FCN - FC Schalke 04 2:0 (0:0)

8. Dezember 1935, Rheinstadion Düsseldorf

1.FCN: Köhl, Billmann, Munkert, Übelein I, Carolin, Oehm, Gußner, Eiberger, Friedel, Schmitt, Spieß

Schalke 04: Mellage, Bornemann, Schweißfurth  Gellesch, Tibulski, Nattkämper  Kalwitzki, Szepan, Pörtgen, Kuzorra, Urban

Tore: 1:0 Eiberger (46.), 2:0 Friedel (85.)

SR: Alfred Birlem (Berlin)

Zuschauer: 56.000

Im Herbst 1935 wurde nach dem Vorbild der englischen Cupspiele erstmals der Wettbewerb um den Deutschen Vereinspokal ausgeschrieben, der nach dem Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten kurz Tschammer-Pokal genannt wurde.

Damit wollte man die durchschlagskräftigste deutsche Vereinsmannschaft ermitteln, nicht die, die konstant Leistung bringt und nach vielen Rundenspielen vorne steht, sondern die es schafft, sich in jeder Begegnung durchzusetzen.

Im Gegensatz zum englischen Wettbewerb, bei dem die Paarungen ausgelost werden, wurden in Deutschland die Begegnungen vom DFB gesetzt. Die ersten Runden überstand der von K. Michalke trainierte Club u.a. gegen den SC Stuttgart (7:0), Ulm 94 (8:0), Polizei SV Chemnitz  (3:1) und Minerva Berlin (4:1) ohne jede Mühe. 

Im Halbfinale wurde der Club dann mit Waldhof Mannheim gepaart und Schalke 04 mit dem VfL Benrath. Beim DFB dachte man dabei mit Sicherheit daran, dass ein Finale Club  Schalke größere Zugkraft besäße als irgendeine andere Paarung.

Der Club behielt zu Hause knapp und nach hartem Kampf gegen Waldhof Mannheim mit einem mageren 1:0 die Oberhand. Die ersten fünf Minuten sorgte ein Foxterrier für Furore, der auf dem Spielfeld dem Leder nachjagte und dabei so manche Spielerwade gefährdete. Der Hund wurde eingefangen und Spieß schoss mit seinem Tor des Tages den Club ins Finale.

Gegner am 8. Dezember 1935 ist Schalke 04. Das Rheinstadion ist bis auf den letzten Platz ausverkauft. Tausende harren vor den Stadiontoren aus, um wenigstens sofort das Resultat des Wettstreits der beiden großen deutschen Mannschaften zu hören. Als amtierender Meister und Vorjahresmeister ist Schalke 04 haushoher Favorit.

Doch die Außenseiterrolle behagt dem Club. Schon im Hotel Schloss Burg in Düsseldorf strahlen die Club-Spieler eine wilde Entschlossenheit und einen unbändigen Siegeswillen aus  ganz im Gegensatz zu den Tipps auf den Spielausgang, die in den Zeitungen veröffentlicht werden: 4:0, 5:1, 3:0 für Schalke, der für den Club günstigste lautet 2:1  für Schalke.

Der  Club, von einem kleinen Häuflein unerschrockener Schlachtenbummler begleitet, beginnt konzentriert und lässt sich von den Schneegestöbern nicht ablenken. Gußner hat schon in der dritten Minute den Führungstreffer auf dem Fuß, verzieht jedoch aus drei Metern. Die Schalker dagegen spielen im Schneeregen so zerfahren wie selten zuvor.

Ihre sonst so flüssigen, variantenreichen Kombinationszüge gelingen kaum, zumal Abel Uebelein dem Schalker Kuzorra viele Bälle vor der Nase wegschnappt und auch auf dem Weg nach vorne Szepan ein ums andere Mal versetzt.

Carolin und Oehm glänzen im Spielaufbau, Gußner und Eiberger wirbeln auf rechts die Schalker Deckung mehr durcheinander als Schmitt und Spieß auf der anderen Seite. Und hinten agiert das Dreigespann Köhl Billmann  Munkert einfach souverän.

Kein Wunder, daß die Zuschauer langsam aber sicher ins Club-Lager überlaufen und den Nürnbergern Szenenbeifall zollen.

Zur Halbzeit heißt es wie im Meisterschaftsfinale 1934 noch 0:0. In der 46. Minute landet der Ball dann aber aus einem Gedränge im Fünfmeterraum heraus im Schalker Tor.

Auf den Rängen streitet man sich, wer denn nun der Torschütze sei. Die einen nennen Eiberger, andere glauben, Friedel habe zuletzt den Ball berührt. Nach dem Schlusspfiff ist es Friedel selbst, der die Streitfrage löst: Der Muckl hat ihn reingemacht, ich habe nur mitgeholfen. Statt wie im 34er Finale nun auf Halten zu spielen, bleibt der Club weiterhin offensiv.

Von der 60. bis zur 70. Minute machen die Schalker aber mit dem ehemaligen Cluberer Ernst Pörtgen als Mittelstürmer und Kuzorra sowie Szepan mächtig Druck und schnüren den Club minutenlang in der eigenen Hälfte ein. Bei vier Eckbällen hintereinander hält Köhl bravourös. Tipfi Oehm und Munkert retten je einmal auf der Torlinie.

Doch dann kommt wieder der Club. Besonders sehenswert die Ballführung von Eiberger.

Seine Dribblings lösten den stürmischen Beifall der schönheitsdurstigen rheinischen Zuschauer aus, schwärmt hernach der Fußball. Als Schmitt in der 83. Minute verletzt vom Platz humpelt, stockt den Club-Spielern der Atem. Doch die Schrecksekunde ist schnell wieder vorbei.

Denn eine Minute später kommt Schmitt hinkend wieder herein und leitet nach einem kurzen und energischen Dribbling sofort einen neuen Angriff ein.

Seinen Steilpass nimmt Gußner auf. Er lässt einen Schalker stehen und schießt aus 30 Metern flach und scharf aufs Schalker Tor. Torhüter Mellage wirft sich, fängt den Ball, lässt ihn aber wieder fallen.

Friedel, der Schalke-Schreck, ist zur Stelle. Aus vier Metern knallt er das Leder ins Netz. 2:0  der Club ist der erste Deutsche Pokalsieger.

Als am nächsten Morgen um 5.30 Uhr die Sonderzügler wieder gen Heimat abfahren, zeigt die Mannschaft eine besondere Geste der Dankbarkeit für deren Unterstützung.

Sie brechen mitten in der Siegesfeier im Hotel auf und fahren zum Bahnhof. Dort singen sie zusammen mit ihren Anhängern zwanzig Minuten lang Lieder wie Schalke ade, scheiden tut weh oder Von deinem Kreiselspiel/sahen wir gar nicht viel/drum sind jetzt Sieger wir/nicht Schalke null-vier. Es wird gesungen und getanzt, die Stimmung ist ausgelassen.

Mit grenzenlosem Jubel werden die Club-Kicker, allen voran Seppl Schmitt, der den Pokal unter den Arm geklemmt hält, dann in Nürnberg schon auf dem Bahnsteig empfangen. Nur mühsam kann sich die Wagenkolonne den Weg zum Rathaus bahnen.

Die Siegesfeier steigt im Herkules-Saal, wo der Frankenführer der NSDAP, Julius Streicher, die Festrede hält. Ihr müsst immer siegen, ich habe noch nie so gerne einen Lorbeerkranz überreicht wie heute.

Die deutsche Sportpresse beschäftigt sich intensiv mit dem Stellenwert des Spiels. Sie stellen heraus, dass schließlich nicht nur der Deutsche Meister von 1934 und 1935 bezwungen worden sei, sondern auch auf eine Art und Weise, die auf eine Wende im Deutschen Fußball und eine Auferstehung glorreicher alter Zeiten des Clubs schließen lasse.

So schrieb der Kicker: Die Nürnberger sind wieder da, das ist das Wunder des Tages.

Deutschlands berühmtester Club besitzt wieder die Achtung und die Wertschätzung, die ihn ein ganzes Jahrzehnt auszeichnete. Das Düsseldorfer Tageblatt titelte:Schalke 04 machte vor dem 1. FC Nürnberg eine tiefe Verbeugung.

Die Berliner illustrierte Nachtausgabe liebte es etwas blumiger: Da wurde, während den Spielern in der ersten Halbzeit der Graupelschnee ins Gesicht schlug, alle vermutliche Romantik im Nürnberger Spiel vertrieben. Aus dem gediegenen alten Kunststil wurde moderne Sachlichkeit.

Die Westfälische Landeszeitung konnte die Niederlage von Schalke nur verschmerzen, weil mit dem Club eine herrliche Mannschaft eine faszinierende Leistung geboten habe: Welch wunderbare geschlossene Leistung, welche Konzentration, welches Herz!

Und auch die Fußball-Woche nahm kein Blatt vor den Mund: Nürnberg spielte genau so, wie man Schalke spielen zu sehen erwartete! Nürnberg spielte Kurzpass!, Nürnberg spielte kühl im Kreise! Nürnberg brillierte in der Balltechnik!  Nicht Schalke!

Die Texte und Bilder stammen mit freundlicher Genehmigung aus dem Buch "Der Club - 100 Jahre Fußball", erschienen im Verlag W. Tümmel. Das Buch gibt es im 1.FCN-Fan-Shop.

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