"Wir wollen uns nicht verstecken"

Nürnberg - Erwartungsgemäß ist das easyCredit-Stadion am Samstag (29.03.08) im Duell des 1.FCN gegen Tabellenführer Bayern München mit 47.000 Zuschauern ausverkauft. Und wie vor jedem Derby war auch das Medieninteresse am Donnerstag auf der Pressekonferenz, die diesmal bei der TeamBank AG stattfand, sehr groß. "Die Spiele gegen Bayern sind immer speziell, eine Herausforderung", so Club-Trainer Thomas von Heesen. 

"In Derbys geht es meist hoch her, das erwarte ich auch", meinte der 46-Jährige und gab die Marschroute aus: "Die Bayern sind als Tabellenführer in einer für sie gewohnten Situation. Sie haben Spieler mit Weltklasse-Format. Bayern kann rotieren, sie haben Alternativen auf höchstem Niveau. Wir brauchen Spieler, die marschieren, die über ihre Schnelligkeit Räume aufbrechen können. Wir brauchen die Geschwindigkeit, um in den Rücken der Abwehr zu gelangen. Wir wollen Druck machen und uns nicht verstecken. Wir müssen nah, aggressiv am Mann stehen und eine hohe Laufbereitschaft zeigen."

"Streit kostet alle nur Energie"

Unerlässlich für ein erfolgreiches Abschneiden im Derby ist auch die Anfeuerung von den Rängen. "Wir brauchen die Unterstützung der Fans", so von Heesen. "Sie müssen hinter dem Team stehen. Am Ende des Tages wollen doch alle dasselbe und Streit kostet alle nur Energie. Wir wollen das Schiff wieder auf Kurs bringen." Im Stadion werden am Samstag Klatschpappen von der Teambank verteilt, wie deren Vorstandsvorsitzender, Theophil Graband, auf der PK zur Begrüßung mitteilte. Ganz sicher ist aber, dass die Spieler die ersten Signale senden müssen. "Von der Mannschaft muss eine Leistung kommen, damit der Funke auf die Fans überspringt. Gegen Bochum haben wir zu wenig gezeigt, das war ernüchternd."

In der Nachmittagseinheit am Donnerstag ermittelte der Coach den Status quo seiner Nationalspieler, die am Mittwoch für ihr Heimatland unterwegs waren. "Wir schauen, wie müde sie sind, ob sie Verletzungen haben. Bisher gibt es aber keine negativen Nachrichten." Von Heesen selbst war in Düsseldorf, um sich Angelos Charisteas anzuschauen. "'Harry' hat in den ersten 20 Minuten sehr ordentlich gespielt." Und zu Jan Koller, der in seinem 90-minütigen Einsatz einen Treffer erzielte, meinte von Heesen: "Wir müssen gucken, wie er sich fühlt, ob er am Samstag von Beginn an spielen kann."

von Heesen lobt die Amateure

Das Slowaken-Duo Robert Vittek und Marek Mintal mischte beim 1:2 gegen Island die zweite Hälfte mit. "Robert und Marek haben zum Glück nur eine Halbzeit gespielt und konnten ein paar Kräfte sparen." Mintal gelang dabei sogar ein Tor. "Grundsätzlich ist es gut, wenn unsere Spieler bei ihren Nationalteams Tore erzielen, persönliche Erfolgserlebnisse sind wichtig. Aber der Fokus liegt ganz klar auf dem Verein. Da müssen sie sich zu 100 Prozent einbringen", meinte von Heesen, der Ivan Saenkos Verzicht auf die Reise zur russischen Nationalelf begrüßte: "Er hat erkannt, dass er ein wichtiger Spieler ist und hier gebraucht wird. Er hat selbst so entschieden. Hier konnte er weiter an sich arbeiten. Das war eine gute Entscheidung." Auskommen muss von Heesen ohne Daniel Klewer, der sich kurzfristig eine Mandelentzündung zuzog.

Anerkennung zollte von Heesen auch den Nachwuchskräften, die unter der Woche im Training aushalfen: "Die Amateure muss ich loben, leider habe ich sie nur zweimal 90 Minuten im Training gesehen. Das sind pfiffige Jungs mit Qualitäten. Der erste Eindruck war sehr gut; sie sind willig und bereit, zuzuhören." Alles andere als Jungspunde sind Willy Sagnol und Mark van Bommel, die auf Bayern-Seite wegen Nackenbeschwerden bzw. der fünften Gelben Karte passen müssen. Zudem droht Hamit Altintop wegen eines Mittelfußbruchs das vorzeitige Saison-Ende. Ansonsten steht Münchens Trainer Ottmar Hitzfeld bei seiner Abschiedstournee mit Oliver Kahn der gesamte Kader zur Verfügung. Beim letzten FCB-Gastspiel in Nürnberg vermieste der Club Hitzfeld das Bundesliga-Comeback, zum Abschied wäre ein "Dreier" für den 1.FCN angesichts von zwei Punkten Rückstand zum Nichtabstiegsplatz natürlich doppelt schön...

Hört hier den Beitrag von Mathias Zeck von Club-Medienpartner Radio Gong 97.1 mit der Vorschau auf das Spiel gegen die Bayern.

"Wir verlieren kein Spiel mehr"

Ein Anti-Star im Bayern-Jersey: Christian Lell

Nürnberg - In München werden eigene Spieler gerne mal stark geredet. So brachte Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld am Donnerstag seinen Schützling Christian Lell als Kandidaten für die Nationalelf ins Gespräch. Diese Aussage überraschte so sehr, dass selbst Lell erst mal nach Worten ringen musste.

Dabei sollte die "erstaunliche Entwicklung", die Hitzfeld bei Lell zurecht feststellt, nicht unter den Teppich gekehrt werden. In seiner vierten Bundesliga-Saison - eine absolvierte er zuvor beim 1. FC Köln - steigerte er seine Leistungen auf ein derart gehobenes Niveau, dass er die Ausfälle von Willy Sagnol, Philipp Lahm oder Marcell Jansen mit seiner Laufarbeit und Schnelligkeit locker kompensierte und sich mittlerweile Stammspieler nennen darf.

Vor dem 50. Bayern-Derby sprach fcn.de mit dem 23-jährigen waschechten Münchner, der im Weltklasse-Ensemble des FCB so etwas wie die Rolle eines Anti-Stars einnimmt und für Bodenständigkeit und das nötige Gleichgewicht im Bayern-Team sorgt.


fcn.de: Christian Lell, Sie spielen beim FC Bayern seit Sie neun Jahre alt sind und entstammen einer starken Jugendarbeit ihres Vereins - ähnlich der Nürnberger Talentförderung. Wie wertvoll ist diese Jugendarbeit für ein Bundesligateam?
 
Christian Lell: Für mich war die Ausbildung in unserem junior team an der Säbener Straße goldwert. Hier bist du in allen Bereichen optimal auf den Profi-Fußball vorbereitet worden. Und die Anzahl der jungen Spieler, die aus unserer Talentförderung kommen und heute in der Bundesliga spielen, zeigt eindeutig, dass dieses Konzept stimmt und auch Früchte trägt.
 
Vor gut drei Jahren liehen die Bayern Sie zum 1. FC Köln aus, wo Sie sich nach Anlaufschwierigkeiten durchsetzten. Haben Sie damals darüber nachgedacht, am Rhein zu bleiben?
 
Lell: Ja, habe ich. Es lief sehr gut in Köln für mich, ich war Stammspieler. Doch Felix Magath wollte mich zurück haben. Den Schritt habe ich aber nicht bereut, bin froh, es gemacht zu haben.

Unter Ottmar Hitzfeld haben Sie sich auch in München durchgesetzt. Hat der Trainer einen großen Anteil an Ihrem Leistungssprung oder sind Sie vor allem selbst dafür verantwortlich?
 
Lell: Man ist für seine Leistung im Grunde immer allein verantwortlich. Trotzdem gilt mein Dank auch Ottmar Hitzfeld, der mir auch in kniffligen Situationen immer sein Vertrauen geschenkt hat.

In der Vorsaison haben Sie sogar Champions-League-Luft geschnuppert. Das macht sicher Lust auf mehr, oder?
 
Lell: Natürlich, internationale Spiele haben immer ihren Reiz. Die Spiele im UEFA Cup waren auch ganz wichtig für mich, da konnte man viele Erfahrungen sammeln. Aber ich freue mich jetzt schon wieder auf die Champions League in der neuen Saison.

Im Sommer kommt Jürgen Klinsmann als Trainer. Machen Sie sich bereits Gedanken darüber, wie es unter ihm für Sie laufen wird, oder ist das noch Zukunftsmusik?
 
Lell: Ich konzentriere mich voll auf die momentane Situation. Wir sind noch in drei Wettbewerben dabei und haben überall aussichtsreiche Chancen. Drei Titel sind möglich, da lasse ich mich von nichts und niemanden ablenken.

Was erwarten Sie vom bevorstehenden Derby in Nürnberg? Und glauben Sie, dass die Nürnberger mit dem Messer zwischen den Zähnen auflaufen werden?
 
Lell: Der Club steht mit dem Rücken zur Wand. Das wird ein heißer Tanz für uns. Ich erwarte im bayerischen Derby eine sehr kämpferische Nürnberger Mannschaft, die alles versuchen wird, dem FC Bayern eins auszuwischen. Aber wir sind gut gewappnet.
 
Wie stellt Sie Ihr Trainer taktisch ein und was wollen sie machen, um den Außenseiter zu schlagen?
 
Lell: Wir werden von Beginn an versuchen, den Nürnbergern unser Spiel aufzudrängen, unheimlich Druck zu entwickeln, um uns Chancen heraus zu spielen. Unterschätzen werden wir den 1. FC Nürnberg aufgrund seiner Tabellensituation sicherlich nicht. Das 0:2 von Cottbus im letzten Auswärtsspiel war uns da eine große Lehre.

Cottbus hat es vorgemacht: Bayern ist schlagbar. Wird Ihr Team auf dem Weg zur Meisterschaft noch einmal stolpern oder sogar noch abgefangen?
 
Lell: Ich bin davon überzeugt, dass wir nicht mehr stolpern werden und die Schale holen. Okay, den einen oder anderen Punkt werden wir vielleicht noch abgeben, aber nicht mehr verlieren.

Das werden wir noch sehen. Vielen Dank, Herr Lell!

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