Fans Donnerstag, 11.04.2013

Zu viel Glamour, zu wenig zum Anfassen

Vor dem Bayern-Spiel schreiben zwei Club-Fans über die Rivalität beider Klubs.

Foto: Picture Alliance

Bayern München gegen den 1. FC Nürnberg, das ist weder das älteste Derby noch das mit der größten Bedeutung oder gar Historie. Im Rückblick betrachtet wurde der fränkisch-bayrische Vergleich wohl eher zum fränkischen Placebo, ein gefühlter Ersatz für die entgangenen echten Derbys zwischen Nürnberg und Fürth, die sich aber nur noch selten auf dem Rasen in einer Liga trafen. Das Spiel gegen den FC Bayern München ist im Grunde genommen gar kein “Derby” oder zumindest eben so wenig Derby wie München gegen Stuttgart - vielleicht eher gemeinsam unter der Rubrik "Südschlager" einzusortieren.

Derbys kann man nicht medial generieren und multiplizieren - und der FCN hat eben schon sein Derby gegen die “Westvorstadt”, wie die Roten ihres gegen die Blauen und die Schalker gegen den BVB. Dass man dennoch zwischen Noris und Isar eine 'besondere' Stimmung verspürt, das ist zunächst der einfachen Begebenheit geschuldet, dass man in der gleichen Liga spielt und (wenn auch eher unfreiwillig) im gleichen Bundesland beheimatet ist. Ein echter Nürnberger will aber nicht unter "bayerisches Derby" subsummiert werden, was viel mit fränkischem Patriotismus zu tun hat. Aber um das aufzudröseln wäre nun eine lange und schmerzliche Historienaufarbeitung über einen Assimilierungsprozess der einst so stolzen Nürnberger durch die Bayuwaren nötig.

Zwei-Klassen-Gesellschaft

Stimmungsgeladen ist die Partie trotzdem, auch weil der Franke, und das ist leider nicht von der Hand zu weisen, sich jeher von der Staatsmacht in München stiefmütterlich behandelt fühlt, was sich eben auch auf die Chemie der Fans niederschlägt. Doch die ganzen Hintergründe sind nun alles auch schon wieder fast alte Kamellen. Ein Twist, der eigentlich schon fast ins letzte Jahrhundert gehört und mit den Realitäten zumindest im Fußball nur noch wenig gemein hat. Der Traum des Franken, dass die verpasste Chance von '68 (oder erfahrene Ungerechtigkeiten - je nach Belieben) wieder vom Schicksal korrigiert werden könnte, existiert nicht mehr.

Der Traum ist längst einer Zwei-Klassen-Gesellschaft gewichen, die derart manifestiert ist, dass der Kampf dagegen so sinnlos wäre wie der Wunsch der Fürther mit dem FCN auf Augenhöhe zu sein. Beispiele gefällig? Bayern München tätig einzelne Transfers, die im Marktwert in etwa unserem Spielerkader, im Fall von Martinez vielleicht sogar noch mehr, entsprechen. Bayern München hat sich ein gigantisches hochmoderndes Stadion quasi selbst gebaut, während der Club im altehrwürdigen, aber längst nicht mehr konkurrenzfähigen Achteck residiert und weitere Investitionen zwischen Kita-Ausbau und Flughafen-Zuschuss bei der Stadt einreichen darf.

Bei den Fans die Nase vorn

Bayern könnte in die 2. Liga absteigen und der Club Meister werden und würde dennoch auf Jahre hinaus uneinholbar sein. Diesen Realitäten muss man sich stellen, muss auch anerkennen, dass eine kooperativ-partnerschaftliche Zusammenarbeit nicht nur bei Leihspielern wie Ekici, Ottl oder Breno dem Club zuletzt nicht nur dienten, sondern vielleicht auch so manches mal den Hintern gerettet hatten. Nur bei einem, da muss man sich nicht in die Rolle des Underdogs fügen, da ist der Club mindestens auf Augenhöhe, hat wahrscheinlich sogar die Nase vorn: Seine Fans. Keine Erfolgsfans, die sich nicht mal über eine Meisterschaft so richtig freuen wollen, weil ihnen ein Titel allein offenbar schon nicht mehr genug ist, die sich lieber in der Schampus-Liga zuprosten, sondern leidgeprüfte, wind- und wetterfeste Anhänger, die zur Not auch noch in der Regionalliga die Fahnen hochhielten. Mag der FC Bayern ein wirtschaftlicher Riese sein, in Sachen Fanbasis ist der Club ein schlafender Riese, dessen Fanpotenzial noch nicht einmal ansatzweise im vollen Umfang aktiviert ist.

Der Club genießt nicht nur (aber auch) wegen seiner Alleinstellung im fränkischen Bereich ein großes Einzugsgebiet, er ist auch - bzw. ist auf dem Weg dazu - das Gegenmodell zum bayerischen Branchenprimus. Statt ständig nach der Krone zu greifen, Erfolg als Selbstverständlichkeit für sich zu beanspruchen und im Moment des Triumphes der Konkurrenz und allen, die es hören wollen oder nicht, zu verstehen zu geben, dass man schlicht und ergreifend sich selbst einfach für das Beste hält, lebt der Club ein anderes Credo vor: die Demut vor dem Sport, das Bekenntnis zu seiner eigenen Tradition und den Willen, sich nicht bereitwillig dem Kommerz zu verschreiben.

Zu viel Glamour, zu viel Hollywood

Nicht zuletzt Michael Wiesinger brachte dies bei seinem Amtsantritt als Cheftrainer des 1. FC Nürnberg mit seiner Aussage “Dieser Verein hat eine Geschichte und Vergangenheit” noch einmal betonend zum Ausdruck. Nachhaltige Jugendarbeit, Einbindung der Fans in seine Entscheidungen und die Eröffnung der Möglichkeit, direkt auf die Geschicke des Vereins Einfluss zu nehmen. Dieser Weg ist nicht zwingend darauf ausgelegt, einmal von ganz oben in der Tabelle zu grüßen, er ist darauf ausgelegt, sich selbst zu finden, den 1. FC Nürnberg in die Gesellschaft fest zu integrieren und sich und seinen Fans eine Heimat zu geben, in der man sich mit seiner Leidenschaft Fußball wohl fühlt, mit der man sich identifizieren kann.

Wenn der Club gegen die Bayern antritt, dann erinnern die Ultras mit ihrem Motto "80er und 90er Jahre" an eine Zeit, in der die Rivalität zu den Roten Hochkonjunktur hatten, eine Zeit, als der Club sich endgültig zwischen Skandalen sowie Auf-/Abstiegen aufzureiben schien, als ausgerechnet einer der sportlich wohl talentiertesten Franken aller Zeiten, Lothar Matthäus, der aber nie was von Franken wissen wollte, die Münchner von Triumph zu Triumph führte. Damals war es nackte Abneigung, vielleicht auch geboren aus Neid, Frust und Desillusionierung. Heute sind die Verhältnisse so weit auseinander, dass ein Vergleich ja gar nicht mehr lohnt. Viele Club-Fans würden heute vielleicht nicht mal - trotz aller sportlichen Erfolge der Bayern  - tauschen wollen. Zu viel Glamour, zu viel Hollywood, zu wenig zum Anfassen, Authentisches, Bodenständiges.

Auf dem Platz ein gefürchteter Gegner

Niederlagen gegen Bayern München sind längst nicht mehr so schmerzhaft wie sie in den vergangenen drei Jahrzehnten waren. Heute blickt man auf dieses “bayerische Derby” und ist als Club-Fan mit sich im Reinen. Die Skandale sind aufgearbeitet, die Finanzen konsolidiert, das Fundament in Steinen und Beinen gelegt, der Club ein anerkanntes und respektiertes Mitglied im Fußball-Establishment.

Und auch wenn mancher leicht herablassend von der “grauen amorphen Masse der Liga” spricht, so ist man doch wieder wer im Oberhaus - und auf dem Platz ein gefürchteter Gegner, der an guten Tagen auch die Bayern von ihrem Ross werfen kann. Und an solchen Tagen feiert der Club-Fan dann seine Festtage und ist damit wahrscheinlich mindestens so zufrieden, wie wenn man in München die Champions League gewinnt. Diese Bescheidenheit des kleinen Mannes passt eben auch zum Franken, mögen die Großkopferten auch andere Ziele verfolgen. Das Maß der Zufriedenheit ist eben kein absolutes - und damit unbezahlbar.

Anmerkung: Es handelt sich hierbei um einen Gastbeitrag von Stefan Helmer und Alexander Endl des Fanmagazins Clubfans United.


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