Werders neues Wir-Gefühl
fcn.de blickt vor dem kommenden Spiel auf den Gegner aus dem hohen Norden.
Stimmungsschwankungen gehören zum Fußball wie Pfostenschüsse. So gesehen müsste einem Außenstehenden das, was beim SV Werder in den vergangenen Wochen und
Monaten passiert ist, nur ein Achselzucken getreu der Devise „alles normal“ entlocken.
Wobei, ist es wirklich normal, wenn das Weserstadion nach Wochen der Tristesse plötzlich
als Tollhaus bezeichnet und einhellig von südländischer Atmosphäre im hohen Norden berichtet wird? So geschehen am vergangenen Wochenende, als eine überzeugende Bremer Mannschaft das Nord-Derby gegen den HSV weitaus klarer für sich entscheiden konnte, als es das knappe 1:0 vermuten lässt.
Mut im Derby getankt
Es standen schließlich mehr als nur drei Punkte auf dem Spiel – Prestige zum Beispiel, aber
auch nicht weniger als die unmittelbare Zukunft. Und in dieser Beziehung schlug Werder
mit dem ersten Bundesliga-Sieg 2014 gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe: Die Bremer haben einen Abstiegskonkurrenten auf Distanz gehalten, dass es sich dabei ausgerechnet um den Nordrivalen HSV handelte, versüßte den Umstand merklich.
Sie schufen sich ein beruhigendes Polster von sechs Punkten auf den Relegationsplatz. Sie gewannen Vertrauen für den schwierigen Prozess des Neuaufbaus, der mit dem ersten Spieltag dieser Saison begann und auch mit Abpfiff dieser Spielzeit noch nicht abgeschlossen sein wird.
Neustart nach erfolgreichen Jahren
Das alte Werder, das sich in den vergangenen zehn, fünfzehn Jahren nahezu beständig im
oberen Drittel der Tabelle bewegte, gibt es längst nicht mehr. Und das hat nichts damit zu tun, dass Thomas Schaaf, zusammen mit dem vor gut einem Jahr zum VfL Wolfsburg abgewanderten Manager Klaus Allofs der Baumeister des alten SVW, im vergangenen Sommer nach 14 Jahren seinen Trainerstuhl räumte. Bereits in den letzten drei Jahren seines Schaffens war der Spitzenklub Bremen Vergangenheit, die finanziell so wichtige Qualifikation fürs internationale Geschäft wurde jeweils klar verpasst – und in der vergangenen Spielzeit wich Werder dem „Abstiegsgespenst“ gar erst am vorletzten Spieltag von der Schippe.
So gesehen war das Drücken des Reset-Knopfes nach dem Ende der Schaaf-Ära erstens
unausweichlich und zweitens auch nicht frei von Ängsten: Würden die einst so erfolgsverwöhnten Fans die Geduld aufbringen, die so eine Zäsur mit sich bringt? Nicht zu vergessen, die Kassandra-Rufe der Experten, die dem Kader eine bescheidene Qualität bescheinigten. Unterm Strich ergab dies: Eine schwere Aufgabe für Trainer Robin Dutt, der den sicheren, eher wenig nervenaufreibenden Job als Sportdirektor beim DFB aufgab, um sich dem Patienten Werder anzunehmen. Ihn so gesund zu machen, dass er mittelfristig wieder vor Kraft strotzend durch die Liga schreiten kann, lautet sein Auftrag. Dass der Genesungsprozess nicht komplikationslos verlaufen würde, war den Bremer Verantwortlichen wie auch dem Fußballlehrer von Beginn an bewusst – in diesem Maße aber nicht dem Umfeld.
Vom Stoplerstart zum Wir-Gefühl
Und so blies dem Werder-Coach frostiger Gegenwind ins Gesicht, als der Start in die Rückrunde nicht nur ergebnismäßig misslang: Einem 0:0 zu Hause gegen Braunschweig, dem 1:3 in Augsburg und dem 1:5 daheim gegen den BVB gingen Leistungen voraus, die Robin Dutt „richtig sauer“ werden und Kritiker den Begriff „Offenbarungseid“ in den Mund nehmen ließen. Was Wunder, dass die Stimmung in und um den SV Werder mit den eisigen Temperaturen der Weser konkurrierte.
Aber auch das ist typisch für die Grün-Weißen in dieser Saison: Immer, wenn vermeintlich das endgültige Abrutschen in den Tabellenkeller ansteht, bekommt die Dutt-Elf die Kurve - mit großer Ge- und Entschlossenheit. Wenn dann wie bei dem den 1:5-Heimdebakel folgenden 1:1 gegen Gladbach und dem 0:0 gegen Frankfurt eine Portion Dusel dabei ist, fällt dies unter die Rubrik „Glück erarbeitet“. Und prompt ist dies dann jüngst beim Derbysieg, wie beschrieben, gar nicht mehr nötig gewesen. Der völlig glücksfreie Triumph ist der Ausdruck einer ansteigenden Formkurve, die man auch prima mit Zahlen beschreiben kann: Werder ist seit drei Spielen ungeschlagen und hat seit 264 Minuten kein Gegentor kassiert. Nicht in harte Zahlen zu fassen, ist hingegen, welche Euphorie diese Mini-Serie ausgelöst hat. Das Wir-Gefühl hat Bremen mit Wucht erfasst, die Mannschaft, Fans, die Verantwortlichen, wobei Letzteren sehr wohl bewusst ist, wie zart dieses Pflänzchen noch ist. „Wir sind im Soll, dürfen uns jetzt aber keine Sekunde zurücklehnen – das weiß die Mannschaft auch“, betont Manager Thomas Eichin, der jedoch weiterhin mit dem einen oder anderen Rückschlag auf dem langen Weg zurück in die Liga-Spitze rechnet.
Weitere Artikel zur Partie
- 1. FC Nürnberg
- –
- SV Werder Bremen
- 40. Franco Di Santo 0:1
68. Philipp Bargfrede 0:2
- Stadion
- Grundig Stadion
- Datum
- 08.03.2014 17:30 Uhr
- Schiedsrichter
- Manuel Gräfe
- Zuschauer
- 40608
- 1. FC Nürnberg
- ?? - Angha - Petrak - Pinola - Plattenhardt - Campaña (76. Colak) - Frantz - Mak (63. Pekhart) - Kiyotake - Hloušek - Drmic
- Reservebank
- Rakovsky, Pekhart, ??, Pogatetz, Balitsch, Stark, Colak
- Trainer
- Gertjan Verbeek
- SV Werder Bremen
- Wolf - Ignjovski (80. 18466) - Prödl - Lukimya-Mulongoti - Caldirola - Bargfrede - Junuzovic - Obraniak (72. Gebre Selassie) - 18466 - Di Santo - Petersen (60. Makiadi)
- Reservebank
- Mielitz, 18466, Gebre Selassie, Aycicek, Kroos, Elia, Makiadi
- Trainer
- Robin Dutt