Profis Freitag, 05.05.2017

Tim Leibold: "Mit Hallenhalma habe ich mich nicht beschäftigt"

Foto: Sportfoto Zink

Lange vermisst und (fast) endlich wieder da. Nach sechs Monaten der Rekonvaleszenz unterhielt sich fcn.de mit Tim Leibold über seine schwere Zeit, düstere Gedanken und ein Eisbad mit Weltmeister Per Mertesacker.

fcn.de: Tim! Schön dich wiederzusehen. Die alltäglichste aller Fragen, aber bei dir wohl aktuell auch die interessanteste: Wie geht's dir?

Tim Leibold: Gut. Sehr gut sogar. Ich bin einfach froh, wieder hier zu sein. Ich bin schmerzfrei, bin bei meinen Jungs und bald hoffentlich auch wieder im Mannschaftstraining. Mein Körper ist wieder in einem guten Zustand. Die letzten Wochen in Donaustauf war ich sogar schon auf dem Platz.

fcn.de: Wie sahen die Tage dort generell aus?

Leibold: Es war dort sehr familiär. Morgens ging es meistens um acht Uhr los mit ersten Behandlungen und Massagen. Ich muss zugeben, das war ganz angenehm. Dann ging es für ein bis zwei Stunden zum Training. Wir haben uns dabei meistens auf Stabilisations-Übungen konzentriert. Nach dem Mittagessen mit anschließender Pause ging das Programm dann wieder von vorne los. Abends gab’s immer ein leckeres Essen. Das war immer ziemlich cool mit einigen anderen Sportlern aus ganz Deutschland: ein bis zwei Fußballer, ein paar Leute aus Berlin vom SEK. Julian Schieber war auch da.

fcn.de: Einen hast du da jetzt aber vergessen…

Leibold: (lacht) Per Mertesacker. Den habe ich schon im November gesehen, als er wegen seines Knies dort war. Das ist wirklich ein super Typ. Wir telefonieren jeden Abend.

fcn.de: Wirklich?

Leibold: Ach Quatsch. Aber er war wirklich ein lieber Kerl. So, wie man ihn aus den Interviews kennt. Ganz locker. Er hat alles erreicht, oder zumindest sehr viel und trotzdem war er ein Mensch wie jeder andere.

fcn.de: Gab es ein gemeinsames Eisbad in der Tonne?

Leibold: Wir hätten zwar zusammen in eine gepasst, weil er ein ziemlicher Schlacks ist, aber nein (lacht). Wir waren aber oft im Kraftraum und haben uns heiße Duelle geliefert auf dem Speed-Court. Aber da hatte er keine Chance gegen mich, da ist er ja wie eine Spaghetti. Da ist ja unsere Pressesprecherin schneller (lacht). Per nimmt das aber alles sehr humorvoll.

fcn.de: Konntest du trotzdem von ihm lernen?

Leibold: Seine Einstellung hat mir schon sehr imponiert. Wie gesagt, hat er schon fast alles gewonnen. Trotzdem hat er so professionell und hart an seinem Comeback gearbeitet. Das hat mich noch einmal extra motiviert. Es war wirklich eine tolle Erfahrung, ihn getroffen zu haben.

fcn.de: Jetzt sieht man sich wieder regelmäßig am Valznerweiher mit Athletik-Trainer Tobias Dippert. Wie ist aktuell der Stand?

Leibold: Es war ja zum Glück nicht so, dass ich wie bei einem Kreuzbandriss zwei, drei Monate gar nichts machen konnte. Ich habe immer etwas gemacht. Deshalb hechele ich im Training auch nicht hinterher, obwohl ich natürlich ein bisschen verloren habe. Aber alles, was ich bisher mit Tobi mache, geht ohne Probleme. Die Fitness ist da, die Praxis kommt dann über das Training und natürlich über Spiele.

fcn.de: Was ist Tobi eigentlich für ein Athletik-Trainer? Schleifer oder Gutmensch?

Leibold: Beides würde ich sagen. Wenn er schlecht drauf ist, ist er der Schleifer. Aber wenn er gut drauf ist, kann er ein ganz Lieber sein (schmunzelt). Ich verstehe mich zum Glück richtig gut mit ihm. Ich ziehe immer voll mit, deshalb hat er in mir auch einen guten Schützling.

fcn.de: Deine Blicke schweifen aber trotzdem oft einen Platz weiter zu deinen Mitspielern. Wie ist das Gefühl, so nah und doch so fern zu sein?

Leibold: Ganz ehrlich: es ist beschissen. Wenn es nur zwei Wochen gewesen wären, wäre das etwas anderes. Aber wenn du über so einen langen Zeitraum nicht im Ansatz weißt, wann du wieder einsteigen kannst, ist das eine schlimme Sache.

fcn.de: Wie finster waren deine Gedanken?

Leibold: Es kamen viele Fragen in mir auf. Was ist wenn? Was ist, wenn ich gar nicht mehr kicken kann? Was mache ich? Wie geht’s weiter? Das war zwischendurch schon sehr schwer für die Birne. Es gab Momente, in denen ich mich gefragt habe, ob ich überhaupt noch einmal schmerzfrei spielen kann. Ans Aufhören habe ich aber nie gedacht. Mit Hallenhalma habe ich mich deshalb auch nicht beschäftigt.

fcn.de: Man sagt auch: Alle Hoffnung zu verlieren, heißt Freiheit. Ab wann konntest du den Blick wieder nach vorne richten?

Leibold: Ich hatte oft Tage, an denen alles wieder sehr gut lief. Da dachte ich schon, diese ganzen Probleme sind weg. Und jedes Mal kam wieder der Tag, wo alles wieder von vorne losging. Vor drei Wochen war ich dann endlich das erste Mal auf dem Platz. Ein paar Sprints, ein paar Übungen und dann habe ich zum ersten Mal einen Ball geschlagen - ohne Schmerz. Ich konnte gar nicht fassen, dass da auf einmal keine Probleme waren. Da mussten doch Schmerzen sein! Das war der Moment, als ich wusste, es geht doch noch. Ich wusste wieder, dass ich gesund werden kann.

fcn.de: Insgesamt fehlst du nun schon ein halbes Jahr. Wie war in dieser Zeit der Kontakt zur Mannschaft?

Leibold: Der war immer da. Ich wusste jeden Tag, was hier um den Verein oder in der Mannschaft passiert. Ich war bei jedem Heimspiel, saß zu jedem Auswärtsspiel vor dem Fernseher. Außerdem tauschen wir uns alle regelmäßig im Gruppenchat aus. Trotzdem habe ich den Verein, das Team vermisst.

fcn.de: Beides hat sich in deiner Abwesenheit ziemlich gewandelt. Michael Köllner ist nun euer Chef-Coach. Wie ist der Kontakt zu ihm? Wie beurteilst du seine Arbeit?

Leibold: Ich muss zugeben, dass ich ihn am Telefon nicht immer verstehe (lacht). Aber ansonsten ist alles gut. Er ist in seiner Arbeit sehr akribisch. Ich glaube, er arbeitet hier zwölf Stunden am Tag. Er hat einen Plan in der Tasche, eine Philosophie. Der Fußball unter ihm ist ein anderer, wenn ich das von der Tribüne aus überhaupt beurteilen kann.

fcn.de: Jetzt mal ein ganz anderes Thema: Hat Möhwe eigentlich mal nachts angerufen und dir verweinte Nachrichten hinterlassen?

Leibold: (lacht ausgiebig) Sagen wir mal so: sein Herz ist noch in einem Stück. Er hat es überlebt. Wir beide haben den gleichen Schuss in der Optik. Es ist schön, jetzt wieder was mit ihm starten zu können. Wir kennen uns ja auch schon lange. Schon vor Nürnberg hatten wir Kontakt durch die Nationalmannschaft.

fcn.de: Kurz vor dem Ende des Tunnels: Wie unterscheidet sich Tim Leibold von heute zu dem von vor sechs Monaten?

Leibold: Eine schwere Frage. Ich hoffe, dass ich mir meinen jugendlichen Leichtsinn bewahren konnte. Das macht auch mein Spiel ein Stück weit aus. Aber ich sehe meinen Beruf jetzt anders. Man muss dankbar sein, womit man sein Geld verdienen darf. 98% der Menschen dürfen das nicht. Wir üben täglich unser Hobby aus und bekommen dafür unseren Lohn. Das ist ein Privileg, für das man dankbar sein muss. Vielleicht bin ich zumindest in diesem Sinne reifer geworden. Mir bleibt als Fußballer nur eine begrenzte Zeit, die ich nicht verschwenden will.

fcn.de: Deine Ziele?

Leibold: Wenn man verletzt ist, hat man immer nur ein Ziel. Ich will einfach gesund werden und dann mal schauen, was so alles geht und kommt. Ich bleibe im Sommer hier und versuche die Vorbereitung eine Woche früher aufzunehmen. Ich versuche, alles aufzuholen.

fcn.de: Fragen wir einmal anders. Sehen wir dich in dieser Saison noch einmal auf dem Platz?

Leibold: Wenn ich mich gut fühle und schmerzfrei bleibe, spricht nichts dagegen. Am Ende entscheidet der Trainer. Es gibt viele Spieler, die schon lange gut trainieren und auch ihre Einsätze haben wollen. Es wäre schön, wenn es klappt. Wenn nicht, greife ich in der nächsten Spielzeit eben wieder an.

fcn.de: Wir würden uns ja ein Wiedersehen mit Sebastian Kerk am letzten Spieltag in Kaiserslautern wünschen…

Leibold: Das wäre schon geil, gegen Kerki mit dabei zu sein. Die Punkte mitzunehmen und ihm den einen oder anderen Beinschuss zu geben, wäre schon eine feine Sache (lacht).


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