Fans Samstag, 29.10.2016

Integrationspate beim Club: Ein Kuss mit Herz

Patrick Kuss (l.) und Jabez mit der pädagogischen NLZ-Leiterin Magda Thiel

In einer Familie helfen sich alle gegenseitig – so auch in der Club-Familie. Patrick Kuss ist Teil davon und seit wenigen Wochen nun auch Pate des Nachwuchsspielers Jabez Makanda.

Der Klassiker unter den Derbys bringt zusammen, was überhaupt nicht zusammen gehört: Den 1. FC Nürnberg und die SpVgg Greuther Fürth – eine Rivalität, die seit mehr als einem Jahrhundert besteht. Doch beim 261. Frankenderby, am 20. September 2016, durften sich zwei kennlernen, deren Wege sich in nächster Zeit nicht mehr trennen sollen.

Jabez Makanda: Nachwuchsspieler des 1. FC Nürnberg, 15 Jahre alt, offensiver Mittelfeldspieler, möchte einmal Fußballprofi werden. Patrick Kuss: 43-jähriger Familienvater, Club-Fan, wohnt in der Pfalz und arbeitet in einer Bank. Ein fast ganz normaler Teenager also und ein Club-Anhänger. Auf den ersten Blick nichts Ungewöhnliches, dass die beiden beim Traditionsderby aufeinander treffen. Ein Zufall war es jedoch nicht, denn Kuss und Makanda verbindet seitdem mehr, als nur die Liebe zum Fußball und zum 1. FC Nürnberg. Seit dem Spiel Ende September ist der 43-Jährige Pate von Jabez.

Die Clubfamilie hält zusammen

„Werde Integrationspate beim 1. FC Nürnberg!“ titelte der Club im Sommer auf fcn.de. Dahinter steckt ein Aufruf für das Integrationsprojekt „Willkommen im Fußball“, das Teil des gesellschaftlichen Engagements NÜRNBERG GEWINNT des 1. FC Nürnberg ist. Sport bietet eine ideale Plattform für Integration. Das weiß der Club. Doch ein Verein kann diese große Aufgabe nicht alleine stemmen. Deshalb baut der Verein auf die große Club-Familie: Helft mit und schafft jungen Asylsuchenden eine Perspektive, lautet das Ziel des Projektes, das Flüchtlinge und Club-Fans in einer Patenschaft zusammenbringen möchte.

Patrick Kuss las den Artikel und überlegte nicht lange. Er meldete sich beim Club, woraufhin ihm Jabez Makanda, der ursprünglich aus Südwest-Afrika stammt, als Patenkind vorgeschlagen wurde. „Für mich ist jeder Mensch gleich, aber nicht jeder hat die gleichen Voraussetzungen“, weiß der Familienvater. Er möchte soziale Verantwortung übernehmen. Ihm ist bewusst, wie gut es ihm geht. Deshalb möchte er etwas zurückgeben. „Ich habe einen Job, verdiene damit Geld und ein Dach über dem Kopf. Ich kann zum Frühstück Zeitung lesen, duschen und mir einen Kaffee kochen“ – Dinge, die für den Fußballfan nicht selbstverständlich sind. Zudem findet er die Kombination einfach klasse: „So unterstütze ich meinen Herzensverein, den 1. FCN, und gleichzeitig tue ich etwas Gutes.“

Ein Derby das verbindet

Am 20. September war es dann endlich soweit. Der 43-Jährige sollte seinen zukünftigen Schützling treffen. Vorsorglich hatte Patrick Kuss einen kleinen Steckbrief vorbereitet. Immerhin wusste er schon einiges über Jabez und der Junge sollte ihn schließlich ebenso kennenlernen. Das war Kuss wichtig. Gemeinsam verfolgten sie das Spiel, fachsimpelten über Fußball und überlegten, was sie nach dem Rückstand des Club an Stelle des Trainers Alois Schwartz tun würden. Die 1:2-Niederlage am Ende war zwar bitter, stand an diesem Derbytag für die beiden aber im Hintergrund. Sie tauschten Handynummern aus und stehen seither über WhatsApp in Kontakt.

Nebenbei verfolgt der Familienvater natürlich die Spiele und Ergebnisse der U16, so gut es aufgrund der Distanz geht. Gerne würde er ab und zu etwas mit Jabez unternehmen, doch die 250 Kilometer Distanz machen das zu einem schwierigen Unterfangen. Partrick Kuss überweist jeden Monat einen festen Betrag für Jabez auf das Spendenkonto des 1. FC Nürnberg. „Klar, jetzt mag der ein oder andere sagen, was bringen die paar Euro monatlich? Aber ich denke, damit kann ich einen kleinen Teil dazu beitragen, dass es jemandem besser geht, der nicht so auf der Sonnenseite des Lebens groß geworden ist.“ Ein Besuch zu einem Spiel des 15-Jährigen steht dennoch fest auf seinem Plan.

Profi, Balotelli, England

Auf die Frage, ob er sich freuen würde, wenn sein Pate ein Spiel von ihm besucht, lacht der Teenager und meint: „Ja schon, kann aber dauern.“ Der Mittelfeldspieler handelte sich bei der Partie gegen den FC Schweinfurt eine Rote Karte ein und muss insgesamt sechs Wochen pausieren. Den roten Karton sah er zum ersten Mal, seit er in rot-schwarzer Montur für den Club spielt. Im Juli wechselte er vom FSV Frankfurt nach Nürnberg. Fußball spiele er aber schon sein ganzes Leben. Bereits mit drei Jahren kickte er auf der Straße mit Freunden. „Beigebracht habe ich mir das Fußballspielen damals selbst“, erinnert sich der Junge. Sein Deutsch ist gut, dennoch wirkt er während des Gesprächs eher schüchtern und zurückhaltend. Außer es geht um Fußball. Da rückt er auf einmal näher an den Tisch, erzählt Geschichten und seine Augen bekommen ein ganz besonderes Leuchten – selbst, wenn er erklären muss, warum ihm der Schiri eine Rote Karte verpasst hat.

Da wundert es keinen, dass Jabez Makanda einmal Profifußballer werden will. Schon mit zehn, als er nach Deutschland kam, hatte er dieses Ziel vor Augen. So arbeitet er sich Stück für Stück an seinen Traum heran. Nürnberg gefällt ihm. Die Schule und der Verein würden besser zusammen arbeiten, als in Frankfurt. Zudem erhofft er sich bessere Karrierechancen beim Club. Sein Vorbild und Lieblingsspieler ist der Italiener Mario Balotelli: „Manche sagen, ich sehe ihm ähnlich – so, als ob ich sein Sohn sein könnte. Er ist ein toller Fußballer und hat einen guten Charakter.“ Später würde er gerne einmal in England spielen. Bei West Ham United oder Newcastle United zum Beispiel. Auf die Frage warum, schildert er die Geschichte eines Films: „Da geht‘s um einen Jungen aus Amerika, dessen großer Traum es ist, eines Tages Fußballprofi in Europa zu werden. Dann entdeckt ihn ein Scout aus England, woraufhin er sein Talent bei Newcastle United beweisen darf. Am Anfang fällt es ihm sehr schwer, da er weit weg von zu Hause ist. Aber er schafft es und startet seine Profikarriere in England.“

Traumberuf Fußballprofi

Viel muss man über Jabez Makanda nicht wissen, um die Parallelen zwischen seinem Leben und dem Film zu entdecken. Ein Junge weit weg von zu Hause – lässt alles Bekannte hinter sich, kämpft sich durch und – das ist sein großes Ziel – verwirklicht seinen Traum. Patrick Kuss unterstützt ihn. Er würde sich freuen, wenn Jabez seinen Weg geht und er ihm dabei ein kleines Stück helfen konnte.

Dem Pfälzer ist es wichtig, zu wissen, wo seine Hilfe ankommt. Denn Spenden ist für ihn keine jährliche Gewissensberuhigung zur Weihnachtszeit, sondern viel mehr. Seinen finanziellen Einsatz kann er natürlich nicht in barer Münze messen, doch darum gehe es ihm schließlich nicht. Jeder von uns könne in einer gewissen Bandbreite helfen, wenn er es denn möchte. Patrick Kuss fühlt sich jedenfalls bereit dazu: „Wenn wir durch diese Geschichte den ein oder anderen Nachahmer finden würden, hätten wir schon viel gewonnen.“

NÜRNBERG GEWINNT – werde ein Teil davon


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