Tradition Sonntag, 05.09.2021

Günther Koch: "Keine Führung ist wie die andere"

In der abgelaufenen Saison führte Günther Koch seine 100. Führung durch das Club-Museum durch. Wir haben mit ihm über seine Beweggründe, Erinnerungen und den FCN gesprochen.

fcn.de: Günter Koch, in der vergangenen Saison haben Sie im Club-Museum ihre 100. Führung durchgeführt. Was hat Sie einst dazu bewegt, Führungen im Club-Museum anzubieten?

Koch: Es war eine Mischung aus Verpflichtung, Freude und auch Ärger, denn ich habe ja 57 Jahre alles miterlebt. Der Auftrag vom Verein, Jugendmannschaften, Seniorenteams und Profis den Charakter und die Geschichte dieses einmaligen Vereins, mit all den Höhen und Tiefen, nahezubringen, hat mich gereizt. Ich versuche die historischen Elemente der Club-Geschichte mit persönlichen Erlebnissen, Anekdoten und O-Tönen anzureichern, um meinen Teilnehmern eine spannende und abwechslungsreiche Führung bieten zu können.

fcn.de: Haben Sie am Anfang damit gerechnet, dass es über die Jahre so viele Führungen werden?

Koch: Ja schon, denn das Ganze hat sich ja hingezogen. Meine erste Führung war im März 2014 vor dem Bundesliga-Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt, der Rundgang durch das Club-Museum war sogar für eine Delegation der Eintracht. Und ich habe mir schon gedacht, dass im Jahr so zehn bis zwölf Führungen zustande kommen könnten. Dementsprechend habe ich mir das dann ausgerechnet, dass es möglicherweise so viele werden.

fcn.de: Wie bereiten Sie sich auf eine Führung vor? Ist das abhängig von den Teilnehmern?

Koch: Das ist so wie jedes Fußballspiel und jede Fußballreportage. Es gibt Teile, die sind immer ähnlich und dann gibt es Dinge, die neu sein müssen. Es hängt natürlich auch von den Teilnehmern ab, mit Blick auf die Unterschiede im Alter und der Zusammenstellung der Gruppe reichere ich die Führungen immer mit Sachen an, die mir spontan einfallen. Aber im Grunde ist die Struktur der Rundgänge ähnlich, in Geschichten, die ich beispielsweise über Jenö Konrad und den Nationalsozialismus erzähle, unterscheiden sie sich aber und hängen auch ein wenig von meiner Stimmung ab, sodass keine Führung wie die andere ist. Keiner darf das Gefühl haben, dass mich das nicht sehr begeistert, dass ich das nicht sehr gerne mache.

fcn.de: Was sollen die Teilnehmer von Ihren Führungen mit nach Hause nehmen? Liegt Ihnen da etwas besonders am Herzen?

Koch: Anti-Rassismus als Tagesaufgabe für jeden. Außerdem die Resilienz, also die Widerstandsfähigkeit, die ein Club-Fan haben muss. Als Fan des 1.FC Nürnberg leidet man mit und liebt dennoch seinen Club, egal in welcher Liga. Dann sage ich auch immer: Der Club ist einmalig, der Club ist der bewegteste, aber auch der bewegendste Verein in Deutschland und wer den Club verstehen will, der kann es gleich aufgeben, denn verstehen kann man diesen Verein nicht, man muss ihn erleben. Wenn man ihn erlebt, kommt man aber nicht mehr davon los. Als ich 1964 nach Nürnberg kam, war ich noch kein Club-Fan, sondern Bayern-Fan und bin dann erst im Laufe meiner Arbeit als Reporter vor allem durch die Anhänglichkeit und Dankbarkeit der Club-Fans auch zum Fan des 1. FC Nürnberg geworden. Die haben mir Gedichte, Blumen und vieles mehr geschickt.

fcn.de: Was ist Ihr Lieblingsstück im Museum?

Koch: Mein Lieblingsstück ist die Meisterschale, da steht nämlich etwas drauf, von dem keiner weiß. Das verrate ich hier jetzt aber auch nicht. Darum rankt sich eine wunderbare Geschichte, die sich um ein Fußballspiel dreht, welches insgesamt fünf Stunden dauerte und trotzdem keinen Sieger fand. Dazu kann ich dann an der Meisterschale etwas zeigen, wovon die wenigsten Menschen wissen. Wenn ich die Besucher frage, wie oft der 1.FC Nürnberg auf der Meisterschale eingraviert ist, antworten die Kenner oder die, die glauben ein Kenner zu sein, dass er neun Mal darauf steht. Dann antworte ich: Das ist falsch. Mehr sage ich jetzt nicht.

fcn.de: Welcher ehemaliger Club-Spieler ist ihr Lieblingsspieler und was begeistert Sie an ihm?

Koch: Frank Wiblishauser, Rainer Berg, aber natürlich vor allen, mit dem ich auch persönlich fast befreundet war: Max Morlock. Und auch Andi Köpke, Dieter Frey, Roland Wabra, Joe Zenger und Tasso Wild, der bis heute nur alle vier Jahre einen Fehlpass spielt. Rainer Berg, das wird keiner mehr wissen, war ein Torhüter aus München. Und als Trainer Entenmann zu Beginn einer Saison entlassen wurde, hat der gesagt, dann gehe ich auch, denn der Trainer ist nicht allein schuld. Rainer Berg hat auf Wiedersehen gesagt und dann auf sein Geld und seinen Vertrag verzichtet. Das sind für mich die wahren Größen.

fcn.de: Sie stellen während ihren Führungen den Teilnehmern immer wieder Quizfragen, wieso?

Koch: Dadurch wird es ein bisschen lockerer und spannender. Die Teilnehmer sollen ja aufpassen und etwas lernen, mehr steckt nicht dahinter. Die Fragen stelle ich spontan, die weiß ich zu Beginn einer Führung selbst noch nicht, aber das ist immer sehr witzig.

fcn.de: Wie schneiden die Teilnehmer hier ab, gab es schon Club-Fans, die alle Fragen beantworten konnten?

Koch: Ja auf jeden Fall, da gibt es sensationelle Sachen. Da gibt es Leute, die mehr wissen als ich, das ist allerdings die Ausnahme. Und dann gibt es viele, die sich selbst wundern, wie viel man noch lernen kann, weil man doch zu wenig weiß. Und das ist die Regel.

fcn.de: Gibt es eine kuriose Erinnerung, eine spezielle Szene, die Sie an einer der 100 Führungen durch das Club-Museum erlebt haben und mit uns teilen möchten?

Koch: Ich habe einen 95-jährigen Ex-Spieler, Ernst Luther, persönlich durch das Museum geführt. Er spielte während des Krieges für vier oder fünf Mannschaften, das ging während des Krieges und war auch notwendig, weil man ja immer anders stationiert war. Er war ein sehr erfolgreicher Mittelstürmer aus Bamberg, der meines Wissens auch Torschützenkönig wurde. Dieser Ernst Luther war von der Führung sowas von angetan, dass er mich gleich zum Abendessen eingeladen hat.

fcn.de: Wie viele Führungen werden auf die bisherigen 100 noch folgen?

Koch: So Gott will noch 24 oder so, ich weiß es nicht.

Alle Infos übers Club-Museum findet ihr hier.


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