Mittwoch, 12.01.2011

Entscheidend ist auf dem Platz

Dieter Hecking, Hans Meyer, Christoph Biermann und Katrin Müller-Hohenstein auf der Suche nach dem perfekten (Club-)Spiel.

Fotos: Daniel Marr

Am Dienstagabend, 11.01.11, hatte die Deutsche Akademie für Fußballkultur in den Marmorsaal des Presseclubs Nürnberg zu einem Gespräch mit dem Journalisten Christoph Biermann, Club-Trainer Dieter Hecking und Hans Meyer eingeladen. Katrin Müller-Hohenstein führte durch eine lebhafte Diskussionsrunde, für die das Fußballbuch des Jahres „Die Fußball-Matrix. Auf der Suche nach dem perfekten Spiel“ als Grundlage diente.

Der Autor Christoph Biermann, unter anderem auch für den Spiegel tätig, recherchierte drei Jahre für das Werk, besuchte das berühmte Milan Lab des AC Mailand, sah sich die Jugendarbeit beim FC Barcelona an, studierte Statistiken – kurz: er hat zusammengefasst, welche ungeheuren medizinischen, technischen und sportwissenschaftlichen Anstrengungen im heutigen Fußball unternommen werden, um das Optimum aus einer Mannschaft herauszuholen. Das perfekte Spiel eben.

Der Club wie Barcelona?

Was also hat im Bundesligaalltag Hand und Fuß? Wie sieht die Umsetzung der Spielanalyse beim 1. FC Nürnberg aus? Theorie und Praxis, Fußballanalyse von gestern bis heute trafen aufeinander und Club-Coach Dieter Hecking, der auf eine zehnjährige Tätigkeit als Cheftrainer zurückblickt, schilderte den zahlreich erschienenen Club-Fans (leider konnte der Saal dem großen Andrang in den Fluren des Gewerbemuseums nicht gerecht werden) aus seiner Sicht den Sinn und Zweck der fußballtechnischen Innovationen.

Thema war ebenso das perfekte Spiel für den Zuschauer. „Dazu braucht es zwei perfekte Mannschaften und auch einen perfekten Schiedsrichter. Aber dann geht es unentschieden aus“ – aus der Trainerperspektive eines Dieter Hecking also kein erstrebenswertes Ziel. Als Beispiel führte Biermann „El Clásico“ zwischen dem FC Barcelona und Real Madrid an, das Barça im November 2010 mit 5:0 für sich entschied. „Das war nicht perfekt“, befand Hans Meyer, „weil Real nach dem 2:0 nur noch Barcelonas Spielball war. Das wäre ja wie beim 1. FC Nürnberg gegen Bamberg.“ Augenzwinkernd, versteht sich.

„Mich interessiert das Ergebnis“

Dieter Hecking machte hingegen deutlich, dass es zu einem perfekten Spiel auch perfekt ausgebildete Spieler braucht, und überhaupt: jeder Trainer versteht unter einem perfekten Spiel etwas anderes. Verschiedene Trainer-Generationen gehen mit der Menge an verfügbaren Zahlen von Laufleistung über Ballbesitz bis hin zum Passgeber des Passgebers des Passgebers unterschiedlich um. Meyer bezifferte die Nützlichkeit der hochprofessionell erstellten Statistiken gar auf fünf Prozent.

Welche Zahlen sind es also, die den Cheftrainer des 1. FC Nürnberg interessieren? „Das Ergebnis.“ Klar, die Wahrheit liege eben doch auf dem Platz, denn „die Praxis ist doch das Entscheidende. Ich als Trainer muss mich auf mein Auge verlassen.“ Es ginge auch nach wie vor um Menschen, keine mathematischen Ausrechnungen. Doch die Entwicklung, hier war man sich einig, geht in eine zunehmende „Technisierung“ des Fußballs. Der gläserne Spieler ist also längst keine Utopie mehr.

Statistiken gewinnen keine Spiele

Doch keine Statistik der Welt kommt den Emotionen gleich, die jeder Trainer, Spieler und letztlich jeder Fan Woche für Woche erlebt, wenn vor ausverkauftem Haus ein Moment, eine Ballannahme, der perfekte Pass über den Ausgang eines Spiels entscheiden. Oder wie es Hecking formuliert: „Im Endeffekt geht es darum, gewinnt der Club am Samstag oder nicht?“ Hans Meyer, ein Freund im Geiste, konnte dem nur beipflichten.

Eine Einschätzung vom Trainerfuchs, einst sowohl beim Club als auch bei den Fohlen Chef, zur kommenden Heimpartie gegen Borussia Mönchengladbach durfte an diesem Abend natürlich nicht fehlen. „Das sind die beiden Mannschaften, bei denen ich immer mitfiebere. Auf der einen Seite tendiere ich zum Club, weil das, was Dieter Hecking mit dieser Mannschaft leistet, sensationell ist. Andererseits wäre eine Niederlage für Mönchengladbach ein herber Rückschlag. Ein Remis wäre mir persönlich also sehr recht.“ Sein Freund entgegnete im Namen aller Cluberer: „Ich hoffe, dass wir ihm diesen Gefallen nicht tun.“


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