Profis Sonntag, 19.11.2023

Dennis Neudahm: "Dialog suchen und Dinge ausprobieren"

Foto: Sportfoto Zink

Seit 2020 ist Dennis Neudahm Torwarttrainer des FCN. Wir haben uns in der Länderspielpause mal etwas ausführlicher mit dem 36-Jährigen über seinen Weg zum Torwarttrainer, seine Philosophie und seine tägliche Arbeit mit dem Torwartteam des Club unterhalten.

fcn.de: Wieso hat es der Torwart Dennis Neudahm „nur“ in die Oberliga geschafft?

Dennis Neudahm: Ich habe als Jugendlicher in Mannheim gelebt. Da gab’s Waldhof Mannheim und sonst nichts. Wenn du von denen gescoutet wurdest, hattest du Glück und wenn nicht, wurdest du eben nicht gefördert. Zu meiner Zeit waren dann einfach zwei andere dort, die ihre Sache offenbar ordentlich gemacht haben seinerzeit. Da wird dann nicht wie heutzutage alles abgegrast, ob irgendwo noch ein besserer ist. Im Herrenbereich habe ich mich schließlich mühsam von der Landesliga in die Oberliga hochgearbeitet. Dann habe ich aufgehört zugunsten der Möglichkeit, die sich mir als Torwarttrainer eröffnet hat. 

fcn.de: Aber das Torwartspiel war schon immer dein Ding, oder?

Dennis Neudahm: Ja, total. Die Begeisterung dafür hat einen ganz anderen Auslöser. Bei einem Schulturnier wurde ein Torwart in meiner Klasse gesucht. Dann habe ich mich eben in die Kiste gestellt und das lief dann ganz ok. Dann war es passiert und es ist dabei geblieben. (lacht)

fcn.de: Wann war für dich klar, dass du Torwarttrainer werden möchtest?

Dennis Neudahm: Das Interesse war aus dem Grund sehr groß, weil ich mehr oder weniger Autodidakt war in Sachen Training. Es gab schlichtweg kein Torwarttraining, ich war aber daran interessiert, besser zu werden. Das einzige an Material, was es damals gab, war das Sepp Maier Trainingsbuch „Mit Spaß zum Erfolg“. Dann habe ich angefangen, zu überlegen: Was kann man tun, damit einem der Ball beim Fangen nicht aus der Hand fällt? Daraufhin habe ich zum Beispiel mich mit einem Ball vor eine Wand gestellt und versucht, durch ausprobieren irgendwelche Faustregeln zu erarbeiten, wie es besser funktionieren könnte. Zudem habe ich mir dann in der Sportschau die Torhüter ganz genau angeschaut und quasi direkt am Modell gelernt, indem ich meine Eindrücke selber getestet habe. Dadurch ist das Interesse entstanden, trotzdem dachte ich mir, dass es das noch nicht gewesen sein kann. Dann habe ich mir über mein Sportstudium die theoretischen Inhalte der Trainingslehre angeeignet. Mit diesen Erfahrungen und Inhalten bin ich dann losgezogen.

fcn.de: Wie hast du es dann zum Torwarttrainer geschafft?

Dennis Neudahm: Ich habe mich während meiner Studienzeit bei der TSG Hoffenheim mit Michael Rechner, dem damaligen Torwart-Koordinator im NLZ der TSG Hoffenheim und heutigen Torwarttrainer des FC Bayern, beworben. Der hat mir zunächst abgesagt, trotzdem wollte er aufgrund meiner Vita weiter mit mir in Kontakt bleiben. An meiner Universität hat Michael Rechner dann ein Projekt angeboten, in dem es um die statistische Auswertung der Gegentore der WM 2010 ging. Das habe ich dann übernommen und daraus entstand ein engerer Kontakt und ich wurde kurze Zeit später gefragt, ob ich nicht Torwarttrainer im NLZ der TSG Hoffenheim werden wollte - da ging es um die U12 und U13.  

fcn.de: Du hast aber sowohl die Torwarttrainerlizenz, als auch die Trainer-Lizenz. Muss man beides haben? Ist es von Vorteil, wenn man beides hat?

Dennis Neudahm: Man muss nicht beides haben, nein. Das war aber die Vorgabe in Hoffenheim, damit man in allen Bereichen mitreden kann und vielleicht eine höhere Akzeptanz hat. Die Torwarttrainer-A-Lizenz ist noch gar nicht so alt. Da gab es den ersten Kurs 2018 und ich habe den dritten Kurs 2020 besucht und abgeschlossen.

fcn.de: Wie läuft denn die Absprache mit dem Trainerteam? Inwiefern musst du deine Einheiten an die Spielidee des Trainers anpassen?

Dennis Neudahm: Das hängt vom Cheftrainer ab, wie sehr er das wünscht. Zunächst muss ich mich aber auf die Idee des Cheftrainers einstellen. Ich würde sagen, dass ich zu 20 Prozent die Idee des Trainers berücksichtigen muss und 80 Prozent meinen eigenen Plan verfolge. Fielo sagt mir vor allem, was er von den Torhütern im Spielaufbau verlangt. Dass sie Bälle halten, wird ja vorausgesetzt. Ich bringe mich dann in die Diskussion der Trainingsgestaltung insofern mit ein, dass ich im Blick behalte und steuere, dass die Torhüter genügend Zeiten mit der Mannschaft bekommen, in denen sie offensiv und defensiv so gefordert werden, dass sie ihr persönliches Torwartspiel am Wochenende bestmöglich auf den Platz bekommen.

fcn.de: Wie sieht die Trainingsgestaltung bei dir aus? Oftmals kommen die Torhüter ja mit unterschiedlichsten Utensilien auf den Trainingsplatz.

Dennis Neudahm: Diese Utensilien fallen natürlich auf, wenn sie auf dem Platz stehen. Die dienen aber immer der Sache und haben stets einen bestimmten Hintergrund. Wenn ich als Beispiel einen Stepper mitrausnehme, von dem der Torwart vor seinem Abdruck herunterspringen muss, will ich ihn in seiner Aktionszeit limitieren, damit die Ausführung möglichst nah am Spiel ist. In meinem Verständnis von Torwarttraining geht es darum möglichst viele Ausführungen von spielnahen Techniken zu kreieren. Das gelingt zum einen durch teilweise freie oder komplett freie Übungen mit einem Entscheidungsanteil aber eben auch über isolierte Ausführungen, die dann wie in dem Beispiel durch den Einsatz von Materialien erschwert werden. So gewährleiste ich alle technischen und taktischen Aspekte abzudecken – aber auch eine hohe Aktionsdichte und Frequenz im Torwarttraining. Die Kür ist dann die Umsetzung im Teamtraining und letztlich am Wochenende im Spiel. Zudem möchte ich einfach Abwechslung reinbringen, da wir ja grundsätzlich immer das Gleiche trainieren - nur in den unterschiedlichsten Varioationen.

fcn.de: Ein Cheftrainer hat immer eine bestimmte Spielidee für seine Mannschaft. Hast du auch deine eigene Philosophie vom Torwartspiel?

Dennis Neudahm: Ja schon. Es gibt gewisse Leitplanken, in denen sich die Torhüter bewegen. Darin gibt es aber schon Interpretationen von Techniken und taktischen Verhaltensweisen. Das hängt natürlich aber auch davon ab, was der jeweilige Torwart bislang in seiner Karriere an Ausbildung und Training erlebt hat. Da diskutiere ich dann gerne mit dem Torwart, in welche Automatismen ich eingreife und in welche nicht. Deshalb gilt es da, oft den Dialog mit dem Torwart zu suchen und Dinge auszuprobieren, die am Ende hilfreich für sein Torwartspiel sein können. Allerdings muss man immer abwägen, da man in der Regel kein halbes Jahr Zeit hat, etwas Neues zu implementieren - die kurzfristige Performance darf darunter nicht leiden.

fcn.de: Wie sieht denn deine Philosophie aus? Oder welchen Torwart würdest du als das Vorzeigebeispiel benennen?

Dennis Neudahm: Ich finde generell, dass die deutschen Top-Torhüter alle Voraussetzungen und Verhaltensweisen mitbringen, die ich in der Ausbildung von Torhütern auch sehen möchte. In Sachen Performance ist Manuel Neuer sicherlich über Jahre hinweg herausragend gewesen. An ihm gefällt mir besonders sein Spielverständnis, seine Athletik und seine psychische Stabilität, die sich in Konstanz und herausragenden Leistungen genau zum richtigen Zeitpunkt äußern. Bei Marc-André ter Stegen gefällt mir die Struktur in seinem Spiel. Seine technisch-taktischen Abläufe in allen Bereichen sind sicherlich etwas, an dem sich jeder Torwart orientieren kann. Ganz generell gesprochen ist mir wichtig, dass der Torwart klar ist in seinem Spiel – d.h. dass er permanent das Spielgeschehen scannt, um immer aus einer bestmöglichen Position agieren zu können. In der Folge wird er auch mehr Erfolg in seinem Entscheidungsverhalten haben und in der technischen Ausführung seiner Aktionen. Und ich mag es sehr technische Details zu optimieren, da am Ende dieser Aktionskette diese kleinen Details in der Ausführung entscheiden zwischen einem Big Save und einem Gegentor.

fcn.de: Hat ein Torwarttrainer eine andere Beziehung zu seinen Torhütern als der Trainer zu den Spielern?

Dennis Neudahm: Ja, definitiv. Ich habe ja erstens viel weniger Jungs zu betreuen und dadurch ist es normal, dass wir täglich im Austausch sind. Zweitens ist es weniger hierarchisch, als bei einem Cheftrainer-Spieler-Verhältnis, da du versuchst, zusammen Dinge zu erarbeiten. Zudem bin ich altersmäßig nicht so weit von den Jungs weg, wodurch manauch privat das eine oder andere Gesprächsthema hat.

fcn.de: Inwiefern nimmst du bei den Spielen Einfluss?

Dennis Neudahm: Bewusst wenig. Ich bespreche davor alles mit dem Torwart und wir wissen, wie der Gegner spielt und der Matchplan aussieht. Meiner Meinung nach bringt es wenig, wenn ich ihn während des Spiels mit gewissen Inhalten konfrontiere. Da geht es wenn dann nur darum, dass in der Spieleröffnung und -fortsetzung vielleicht andere Räume entstehen, als zuvor gedacht. Im reinen Torwartspiel hätte das aber eher einen negativen Einfluss, da der Torhüter beginnt Nachzudenken. Deshalb verzichte weitestgehend ich darauf.

fcn.de: Wie würdest du das Torwartteam des FCN beschreiben?

Dennis Neudahm: Wir haben ein gutes Torwartteam, so wie man es sich auch vorstellt. Jeder bringt eigene Ansprüche mit und möchte auf die jeweils nächste Position, was im Leistungssport auch normal ist. Trotzdem ist es ein gutes Miteinander und jeder gönnt dem anderen eine gute Leistung. Die Jungs unterstützen sich auch gegenseitig und diskutieren oft über ihre individuellen Stile. Zum Beispiel haben unsere Keeper ein unterschiedliches 1-gegen-1-Verhalten, wo sich der eine vom anderen auch mal etwas abschaut. So ergänzt sich das ganz gut und es herrscht ein leistungsfördender Spirit.


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